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Am Ende? Boris Becker (Archivbild vom Juni 2016).

© AFP

Boris Becker und die Pleite: Kann man mit 800.000 Euro im Jahr leben?

Alleine 35.000 Euro im Monat kostet seine Miete in London. Boris Becker kommt offenbar nicht mit seinem Geld aus. Über den neuerlichen Fall des Tennis-Idols.

Ach ja, kürzlich gab es mal wieder eine nette Meldung über Boris Becker. Das war, als er in der TV-Show „Bares für Rares“ den Tennisschläger seines letzten Spiels versteigern ließ. 10.000 Euro brachte der Schläger ein, für einen guten Zweck, wie es heißt. Inzwischen darf man sich fragen, ob es nicht auch zu den guten Zwecken gehört, dass Becker die 10.000 Euro selbst einsackt. Nach Lage der Dinge und einem Londoner Gerichtsurteil kann er das Geld brauchen.

Am vergangenen Dienstag hatte die Richterin Christine Darrett den früheren Tennisspieler der Weltklasse, das Idol einer Generation, die Ikone des Erfolgs und der Durchsetzungsfähigkeit, für bankrott erklärt. Boris Becker hat bei der Privatbank Arbuthnot Latham & Co seit 2015 Schulden in offensichtlich immensen Ausmaß, die Höhe ist nicht bekannt, und das Gericht sah Becker nicht in der Lage, diesen misslichen Umstand in Bälde abzustellen. Becker selber ist ganz anderer Meinung, ließ über seinen Anwalt Christian Schertz mitteilen, dass er sehr wohl binnen eines Monats die Verbindlichkeiten regeln könne. Unter anderem durch den Verkauf seiner Finca auf Mallorca, der sechs Millionen Euro einbringen soll. Blöd nur, dass das pompöse Gemäuer immer mal wieder zum Verkauf stand, ohne einen Abnehmer zu finden. Blöd auch, dass Beckers spanische Anwälte ihn selbst auch verklagt haben, weil sie der Meinung sind, ihr Auftraggeber hätte für die Vermakelung der Finca zu wenig Honorar bezahlt. Was nun auch ein mallorquinisches Gericht so sah, Kostenpunkt Becker: 30.000 Euro. New balls, please.

Peanuts, sollte man meinen

Aber ist es nicht auch unerheblich, ob Becker tatsächlich insolvent ist? Unerheblich für die Frage, ob Becker nun endgültig ein gestürzter Ex-Held ist, ein gefallener Engel in weißer Turnhose? Das Gericht befand, dass Becker nicht eben ein Finanzgenie ist, aber das wusste die Welt doch schon lange. Eigentümer von drei Autohäusern war er mal, eins in Stralsund, eins in Greifswald, eins in Ribnitz-Damgarten, mit keinem wurde er glücklich. Er war Teilhaber des Internetportal Sportgate, 2001 wurde Insolvenz angemeldet. Und er wurde Jahre später zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 108.000 Euro verurteilt. Nicht gerade imagefördernd war auch ein anschließendes Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des versuchten Prozessbetruges, was zwar eingestellt wurde, aber erst nach Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 40.000 Euro. Und 800.000 Euro musste er an einen Mitgesellschafter der insolventen New Food AG zahlen.

Peanuts, soll man meinen, für einen, der im Laufe seiner grandiosen sportlichen Laufbahn alleine 25 Millionen Euro Preisgelder gewonnen hat, Portokasse, soll man meinen, für einen, der jahrelang als hoch bezahlter Werbeträger durch die Werbeblöcke nervte, lächerlich, soll man meinen, für einen, der als TV-Kommentator und Experte üppigst gepampert wird. Und was ist mit seinem Gehalt als Trainer des Weltklassespielers Novak Djokovic? Davon wagt unsereins nicht einmal zu träumen, alleine mit diesen 800.000 Euro sollte man doch gut durchs Leben kommen.

"Ich"

Nun passiert es häufiger, dass sich einst berühmte und hochdotierte Sportler im Leben verdribbeln und womöglich am Ende ins Dschungel-Camp gehen müssen für den Lebensunterhalt. Irgendwann ist es bei Sportlern, jenseits der Golf- und Schachkategorie eben körperlich vorbei mit der scheinbaren Realität des Sports. Dann kann Schluss mit lustig sein, mit grenzenloser Liebe und Anerkennung, mit der Wichtigkeit, um die sich alle reißen, als gebe es kein Morgen und werde das Geld im Keller gedruckt. Auf Beckers Höhepunkt wurde mal eine Meeresschnecke nach ihm benannt, Bufonaria borisbecker, was ja nicht nur lustig ist, sondern zur gewissen Bedeutung einbildet. Und auch auf dem Höhepunkt schrieb der „Spiegel“ eine Titelgeschichte über den Star Becker. Der Titel war ebenso schlicht wie Programm: „Ich!“.

Es hängt mit Beckers Fallhöhe zusammen, dass er sich noch nicht im australischen Busch mit Fremden und Unbekannten um eine Portion Maden streiten muss. Aber seinen Einnahmen stehen Ausgaben gegenüber, die sich auf Dauer nicht rechnen können, zumal er weiterhin nicht nur auf großem Fuß lebt, das sind schon gigantische Galoschen. 2011 überwies er der ehemaligen Gattin Barbara Feltus zur Scheidung 15 Millionen Euro. Unterhaltspflichtig ist er, und nicht als knauserig bekannt, für seine drei Kinder Noah, Elias und Anna, die mit Sicherheit nicht mit dem Bafög-Satz abgespeist werden. Er lebt mit der neuen Familie in London und Zürich, beides Orte, an denen der Lebensunterhalt ein dickeres Portemonnaie verlangt. Alleine das Mietshaus in London steht mit monatlich 35.000 Euro im Monatsbudget der Familie Becker. Und besagte Finca aus Mallorca, die er 1997 für eine Million Euro gekauft hatte und jahrelang und immer wieder im Stile eines Trump umbauen ließ, ist noch lange nicht veräußert. Immerhin scheint der Rechtsstreit mit diversen Baufirmen, denen er Geld in Höhe von mehreren hunderttausenden Euro schuldig geblieben war, inzwischen ausgestanden.

Der Sturz ist nicht unweigerlich

Deutschlands sportliche Ikonen und Idole, von den ganz, ganz Großen haben wir nicht viele. Max Schmeling, der Boxer, zählt dazu, Franz Beckenbauer auch, dann noch Michael Schumacher, Steffi Graf und eben Boris Becker, heute 49 Jahre alt, damals der jüngste Leimener aller Zeiten, der mit 17 Jahren und erdbeerblondem Haupthaar das ikonenhafte Turnier von Wimbledon gewann, als erster Deutscher überhaupt und damit einen Boom auf Tennis entfachte, der eigentlich nur noch hysterisch zu nennen war. Plötzlich war Tennis wer, nicht nur Fußball, der ewige Sport des Proletariats. Fast war es so, als habe es Deutschland nach Beckers Sieg 1985 auf dem Rasen von Wimbledon endlich geschafft, 40 Jahre nach Kriegsende angekommen zu sein, nicht nur im Tennis, sondern damit auch im Reich der Aufsteiger, derer, die sich in der Sonne fühlen dürfen, die sich nicht mehr schmutzig machen müssen, sondern weiß gekleidet – noblesse oblige – sporteln können. Vorbei endlich die Zeiten, die Samy Drechsel noch beschrieb, als er den kleinen Jungen mit einem Tennisschläger ohne Saiten durch die Straßen schleichen ließ, um die Armut der Eltern zu kaschieren. Tatsächlich verdiente er sich nur ein paar Groschen als Balljunge dazu, selber Tennis spielen, ach was, das ist nur Etwas für die Reichen. Man muss wohl das Phänomen Boris Becker soziologisch und historisch betrachten, um die Höhe des Sturzes zu begreifen.  

Aber der Sturz der Ikonen ist nicht unweigerlich. Max Schmeling lavierte sich geschickt und unbeschadet durch die dunkle Zeit des Nationalsozialismus, wurde später erfolgreicher Geschäftsmann ohne Blessuren. Auch Steffi Graf entzog sich klug und weise der erdrückenden Liebe Deutschlands und der Boulevardmedien. Und Michael Schumachers Schicksal ist tatsächliche Tragik, nicht der Sturz von Boris Becker oder die sich abzeichnende Dämmerung der Lichtgestalt Beckenbauer, auf den schon länger das biblische Zitat vom Kamel, das eher durchs Nadelöhr passt, als Beckenbauer in den Himmel zutrifft.

Es ist wohl offen, wo der Fall Boris Beckers endet. Er ist jetzt erst mal, bis zu einem etwaigen Widerspruch des Gerichtsurteils, kreditunwürdig. Was verheerend sein kann bei seinem nun auch juristisch attestierten Finanzwissen. Bleibt für ihn zu hoffen, dass er nicht noch mal, dies mal in eigener Sache, zu „Bares für Rares“ muss.

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