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Brandkatastrophe: Schrecklicher Verdacht in Ludwigshafen

Türkische Mädchen haben einen Mann im Treppenhaus zündeln sehen. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft nehmen die Aussagen der Kinder ernst.

Von Frank Jansen

Es ist nur ein Verdacht und er wird sich vermutlich auch nicht so schnell bestätigen oder widerlegen lassen. Doch seit Dienstag wächst bei Türken und Deutschen die Sorge, das ausgebrannte Wohnhaus in Ludwigshafen könnte angezündet worden sein. Von einem Irren, der dann neun Türken getötet und etwa 60 weitere Personen verletzt hätte. Die Erinnerung an die Anschläge in Mölln 1992 und Solingen 1993, denen insgesamt acht türkische Mädchen und Frauen zum Opfer fielen, wird verstärkt durch die Aussage zweier Schülerinnen, die dem Inferno in Ludwigshafen entronnen sind. Die türkischen Mädchen sollen im Krankenhaus und gegenüber Journalisten geäußert haben, sie hätten am Sonntag einen Mann gesehen, der im Eingang des Gebäudes Papier anzündete. Der Vizevorsitzende der Türkischen Gemeinde Rheinland-Pfalz, Bayram Türkoglu, sprach am Dienstag mit den etwa acht Jahre alten Kindern – und sie haben ihre Darstellung wiederholt.

„Die Mädchen sagen, da habe unten im Treppenhaus ein Mann gestanden, der ein Feuerzeug, Papier, ein Stück Holz und eine Flasche dabei hatte“, berichtete Türkoglu dem Tagesspiegel. Der Unbekannte habe das Papier angezündet und hingeworfen. „Sie hätten Angst bekommen und seien die Treppe hochgerannt“, zitierte Türkoglu die Mädchen. Das Treppenhaus habe sofort angefangen zu brennen. Die Kinder hätten den Mann so beschrieben: Groß, schwarze Kleidung, er habe ausgesehen wie ein Deutscher, nicht wie ein Türke. „Ich glaube, dass sie die Wahrheit sagen“, meinte Türkoglu. In einem Detail seien die Angaben der Kinder allerdings unterschiedlich. Ein Mädchen sage, der Mann habe nichts geäußert, das andere Kind wolle die Frage gehört haben, „wer wohnt da?“

Die türkische Nachrichtenagentur „Anadolu“ meldete am Dienstag, eines der Mädchen wolle den Mann gefragt haben: „Wer bist denn du?“ Der Unbekannte habe geantwortet, „ich bin Deutscher“. Außerdem habe der Mann eine Flasche mit sich geführt.

Eines der Kinder gehöre zu der Familie, die im ersten Stock des Eckhauses am Danziger Platz gewohnt habe, sagte der Vizevorsitzende der Türkischen Gemeinde Rheinland-Pfalz. Das zweite Mädchen sei eine Freundin, die zu Besuch gekommen war. Als der Brand am Nachmittag ausbrach, befanden sich etwa 60 Erwachsene und Kinder in dem Haus. Kurz zuvor hatte der Fastnachtsumzug das etwa 100 Jahre alte Backsteingebäude passiert. Die Polizei war rasch am Brandort, weil zahlreiche Beamte die Karnevalisten begleitet hatten.

Polizei und Staatsanwaltschaft nehmen die Aussagen der Kinder ernst. Die Mädchen würden bereits im Beisein von Eltern, Psychologen und Dolmetschern befragt, sagte die Vizechefin der Staatsanwaltschaft Frankenthal, Gisa Thermann, dem Tagesspiegel. Sie bestätigte zudem einen Bericht der Regionalzeitung „Die Rheinpfalz“, wonach 2006 ein Brandanschlag auf das Haus in Ludwigshafen verübt wurde. Zwei Brandsätze seien damals durch Fenster des türkischen Lokals im Erdgeschoss geschleudert worden, sagte die Oberstaatsanwältin. Es sei aber kaum Schaden entstanden. Ein Täter konnte nicht ermittelt werden, die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein. Für Thermann ist unklar, ob es eine Verbindung zum Brand vom Sonntag gibt. Laut Türkoglu zirkuliert unter den Türken in Ludwigshafen das Gerücht, drei Tage vor dem Brand sei im Haus ein Drohanruf eingegangen.

Die Polizei betonte am Dienstag, bislang sei es nicht einmal möglich, in dem einsturzgefährdeten Haus nach der Brandursache zu forschen. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk trugen von Kränen mit Hubwagen aus Einzelteile des halb eingestürzten Daches ab. Die Trümmer sollen untersucht werden. Es könne noch mehrere Tage bis zum Beginn der Ermittlungen im Gebäude selbst beginnen, sagte ein Sprecher der Polizei.

Der laute Knall, den mehrere Überlebende gehört haben, hat möglicherweise nichts mit dem Ausbruch des Feuers zu tun. Türkoglu gab Äußerungen von Überlebenden wieder, die erst Qualm, dann Feuer im ersten Stock und etwas später eine Art Explosion mitbekommen haben wollen. „Sie sagten, das könne eine Gasexplosion gewesen sein oder ein Fernseher, der bei dem Brand explodiert ist“, berichtete Türkoglu. Bei Polizei und Feuerwehr hieß es, im Verlauf von größeren Bränden könne es zu Verpuffungen kommen, wenn schwelende Flammen eine plötzliche Zufuhr an Sauerstoff erhielten.

Trotz des Verdachts auf Brandstiftung sei Ludwigshafen „weit entfernt von feindseliger Stimmung“, sagte der Sozialdezernent der Stadt, Wolfgang van Vlieth, dem Tagesspiegel. Bayram Türkoglu lobte den Einsatz der Polizei am Brandort, „das war hervorragend“.

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