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Brauchtum: Punktsieg im Weihnachtskrieg

Der Weihnachtsgruß "Merry Christmas" hatte bereits ausgedient. Niemand sollte ausgegrenzt werden, religionsneutral wurde "Happy Holiday" gewünscht. Jetzt kehrt der traditionelle Weihnachtgruß in die US-Öffentlichkeit zurück.

Washington - Auf den ersten Blick ist es eine simple Frage: Wie heißt in den USA die Zeit, in der eine ganze Heerschar beleuchtbarer Plastikengel in die Vorgärten einfällt, in der sich Einkaufsstraßen mit Sternen und Schleifen herausputzen, in der unschuldige Nadelbäume plötzlich mit Glitterkram überladen sind wie eine Filmdiva, die ihr welk gewordenes Äußeres künstlich überstrahlen will? Natürlich, das ist Weihnachten! Doch halt, so einfach ist es nicht. Der traditionelle Weihnachtsgruß "Merry Christmas" ist bei vielen Unternehmen und Behörden in den USA verpönt - aus Furcht, all jene Bürger auszugrenzen, die keine Christen sind. Stattdessen heißt es religionsneutral "Happy Holiday" - froher Festtag.

Religiöse Traditionsbewahrer sehen das als Multi-Kulti-Spinnerei und sprechen von einem Krieg gegen Weihnachten. Die jüngsten Nachrichten von der Festtagsfront vermelden nun wieder einen Vormarsch der Weihnachtsbefürworter. Der Supermarktriese Wal-Mart teilte mit, in dieser Saison seine Zurückhaltung aufzugeben und wieder voll auf Weihnachten zu setzen. Die einschlägigen Fachabteilungen in den Märkten sollen erneut die abendländische Religion im Namen tragen und aller politischen Korrektheit zum Trotz "Christmas Shop" heißen - vergangenes Jahr wurden Festtagsartikel noch in neutral benannten "Holiday Shops" (Feiertagsläden) feilgeboten. In seinen neuen TV-Weihnachtsspots arbeitet Wal-Mart sogar mit der Heilsarmee zusammen.

Im Visier der Weihnachtskrieger

"Letztes Jahr haben wir eine Lektion lernen müssen", räumt Firmensprecherin Linda Blakley ein. "Wir haben keine Angst mehr, den Begriff 'Merry Christmas' zu verwenden, und wir werden ihn oft verwenden." Durch seine gut gemeinte Christmas-Vermeidungsstrategie war Wal-Mart im vergangenen Jahr ins Visier der Weihnachtskrieger geraten. Angeführt wurde die Truppe von zwei bekannten Moderatoren des konservativen Fernsehsenders Fox News, die Wal-Mart und andere Unternehmen an den Pranger stellten und zu einem Boykott aufriefen.

Das Weihnachtsglöcklein wurde auf Fox zur Alarmsirene: Moderator John Gibson breitete in seinem Buch "The War on Christmas" ("Der Krieg gegen Weihnachten") auf 224 Seiten aus, wie ein Bündnis aus Linken und Atheisten das Weihnachtsfest gezielt aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängen wolle. Sein Kollege Bill O'Reilly argumentierte, der Feldzug gegen "Merry Christmas" öffne die Hintertür für "andere linke Projekte wie Legalisierung von Drogen, Sterbehilfe, unbeschränkte Abtreibung und Homo-Ehe".

Punktsieg für Traditionalisten

Mit seiner Weihnachtsinitiative ist Wal-Mart, das derzeit in den USA unter einer Umsatzflaute leidet, nicht allein. Auch die große Kaufhauskette Macy's will das traditionelle "Merry Christmas" in diesem Jahr prominenter herausstellen als zuvor. Und während die Stadtbehörden von Washington ihr bunt geschmücktes Nadelgewächs noch vorsichtig als "Festtagsbaum" bezeichnen, bekennt sich die katholische Ostküstenmetropole Boston wieder eindeutig zum "Weihnachtsbaum".

Traditionalisten freuen sich über den Punktsieg. "Wir begrüßen den Trend zu 'Merry Christmas'", sagt Peter Sprigg von der religiös-konservativen Lobbygruppe Family Research Council. "Schließlich feiert die übergroße Mehrheit der Amerikaner Weihnachten und nicht irgendein Winterfest." Auch der Katholikenverband Catholic League, der sich letztes Jahr am Boykott gegen Wal-Mart beteiligte, sieht die Dinge allmählich wieder in Lot: "Amerika ist ein überwältigend christliches Land, und die meisten von denen, die keine Christen sind, haben kein Problem mit Weihnachten." (Von Peter Wütherich, AFP)

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