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Panorama: Chinas Erde bebt: Tausende Tote

Der Südwesten des Landes wird von einer Katastrophe heimgesucht / Der Erdstoß erreicht die Stärke 7,8 / Viele Tibeter betroffen

In Städten und Ortschaften laufen die Menschen ziellos umher. Bergungstrupps suchen in den Trümmern nach Überlebenden. An vielen Stellen werden im Freien an Ort und Stelle Notlazarette errichtet.

Bei dem schweren Erdbeben in Südwestchina, dessen Auswirkungen bis nach Thailand und Hongkong zu spüren waren, sind am Montag nach Angaben der Behörden nahezu 9000 Menschen getötet worden. Weil in Millionenstädten wie Chengdu und Chongqing die Kommunikation zusammengebrochen ist und kaum Informationen nach außen drangen, befürchteten die Behörden stark steigende Opferzahlen. Ministerpräsident Wen Jiabao reiste zum Krisenmanagement nach Chengdu.

Allein in dem Landkreis Beichuan in der Provinz Sichuan könnten zwischen 3000 und 5000 Menschen tot sein, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua unter Berufung auf den Krisenstab der Provinz. 80 Prozent der Gebäude in der Region seien zerstört. Es werde mit 10 000 Verletzten gerechnet. Dreieinhalb Stunden nach dem Beben wurde die Zahl der bestätigten Todesfälle in den Provinzen Sichuan, Gansu, Yunnan und der Metropole Chongqing zunächst mit 107 Toten angegeben.

Die Zahlen stiegen am Montag von Stunde zu Stunde. Das genaue Ausmaß der Zerstörung blieb aufgrund zerstörter Telefon- und Kommunikationsverbindungen bis zum Abend völlig unklar. Mehrere Kreise in der auch von Tibetern bewohnten Präfektur Aba seien völlig von der Außenwelt abgeschlossen, berichteten Staatsmedien.

Vereinzelte Nachrichten aus anderen Regionen deuten jedoch darauf hin, dass sich Opferzahlen und Schäden noch stark erhöhen könnten. In der Stadt Dujiangyan, etwa 100 Kilometer vom Epizentrum entfernt, stürzte den Berichten zufolge ein dreistöckiges Schulhaus ein, in dem 1700 Schüler unterrichtet wurden. „Manche sind aus den Fenstern gesprungen und andere rannten die nicht zusammengestürzten Treppen runter", sagte ein überlebender Schüler gegenüber Xinhua. Die Behörden befürchteten, dass bis zu 900 Kinder unter den Trümmermassen verschüttet sein könnten. Bislang wurden dort vier Tote bestätigt. Fotos zeigten trauernde Eltern an der Unglücksstelle, während Helfer mit schwerem Gerät die Trümmer beiseite schoben.

Das Erdbeben der Stärke 7,8 ereignete sich am frühen Nachmittag Ortszeit. Das staatliche seismologische Büro ortete das Epizentrum im Landkreis Wenchuan in der Präfektur Aba, etwa 150 Kilometer von der Zwölf-Millionen-Einwohnerstadt Chengdu und 260 Kilometer von Chongqing entfernt, einer Metropole mit 30 Millionen Bewohnern.

In dem betroffenen Gebiet ist auch Chinas wichtigstes Pandareservat. Die Schwere des Bebens wurde dadurch deutlich, dass die Schockwellen und Nachbeben bis in Tausende Kilometer entfernte Metropolen wie Peking, Hongkong und Bangkok zu spüren waren. In der Geschäfts- und Einkaufsstraße Nanjinglu in Shanghai schwankten mehrere Minuten lang die Hochhäuser, so dass die Bewohner und Büroangestellten in Panik auf die Straße strömten. Aus Angst vor möglichen Nachbeben flüchteten sich manche Menschen in Parks.

Staatspräsident Hu Jintao ordnete nach Angabe der Staatsmedien eine rasche und große Katastrophenhilfe an. Premier Wen Jiabao sprach von einer „schweren Katastrophe" und rief die Bevölkerung zu Ruhe und gegenseitiger Hilfe auf. Die Armee schickte Tausende Soldaten und bewaffnete Polizisten sowie Hubschrauber in das Gebiet. Aus Peking wurden spezielle Erdbebenteams mit Suchhunden nach Sichuan geflogen. Um Hilfsmannschaften Vorrang zu geben, schlossen die Behörden den Flughafen von Chengdu für den normalen Flugverkehr. Chinas Südwesten war in der Vergangenheit immer wieder von schweren Erdbeben erschüttert worden. 1933 starben bei einem Beben der Stärke 7,5 in einem Nachbarlandkreis von Wenchuan 9000 Menschen. Ein weiteres starkes Erdbeben in der Region gab es 1976.

Harald Maass[Peking]

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