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Panorama: Chinesen entdecken ihre Vorliebe für Hunde

Chinesen stehen bislang im Ruf, Hunde eher zu verspeisen als zu verhätscheln. Da die strenge Ein-Kind-Politik der Pekinger Führung den Traum von einer reichen Nachkommenschaft für viele Familien zunichte macht, holen sich viele Menschen die treuen Vierbeiner als Kindersatz ins Haus.

Chinesen stehen bislang im Ruf, Hunde eher zu verspeisen als zu verhätscheln. Da die strenge Ein-Kind-Politik der Pekinger Führung den Traum von einer reichen Nachkommenschaft für viele Familien zunichte macht, holen sich viele Menschen die treuen Vierbeiner als Kindersatz ins Haus. "Bei uns in der Familie steht Gougou ganz klar an erster Stelle, er ist mein Baby", bekennt die Pekinger Modedesignerin Feng Zhen. "Wir verbringen täglich zwei bis drei Stunden damit, den Hund zu füttern, Gassi zu führen und zu pflegen", erzählt die Chinesin und präsentiert dabei stolz das Foto eines langhaarigen weißen Malteserhündchens.

Allein die kulinarischen Bedürfnisse ihres dreijährigen Hausgenossen sind den Fengs monatlich 300 Yuan (umgerechnet rund 65 Mark) wert - immerhin fast die Hälfte eines Pekinger Durchschnittsgehalts. Der verwöhnte Vierbeiner reagiert durchaus standesbewusst und verschmäht mittlerweile alles außer Importfutter, vorzugsweise Hundepastetchen aus dem fernen Kanada. Die Familie, die zweifellos zu den Besserverdienenden im Land gehört, akzeptiert die Marotten ihres Haustieres ohne Klagen. Ihr zwölfjähriger Sohn habe endlich einen kleinen Bruder, schwärmt Feng. Überhaupt führe die Familie jetzt ein ganz neues Leben: Einen Großteil ihrer Freizeit verbringt sie nun in der Natur. Den rauhen Pekinger Winter übersteht Gougou (wörtlich Hund-Hund) dank wärmender Mäntelchen und Mützchen. Sein Frauchen hat auf der alljährlich stattfindenden Haustiermesse in der Haupstadt die Qual der Wahl unter vielen modischen Accessoires.

Der große Besucheransturm zeigt, dass die Hundenärrin bei weitem nicht alleine steht. Viele Chinesen haben die unerfüllte Sehnsucht nach einer großen Familie mit Haustieren gestillt, nachdem die Regierung zu Beginn der achtziger Jahre Ehepaaren nur noch ein Kind erlaubte. Auch die inzwischen eingeführten hohen Hundesteuern konnten der Leidenschaft für Vierbeiner bislang keinen Abbruch tun. Allein in Peking sind rund 100 000 Familien offiziell als Hunde- und Katzenhalter registriert.

Die chinesischen Tierfreunde lassen sich aber längst nicht nur auf Vierbeiner ein. Vielerorts kreucht und fleucht es: Mindestens 400 000 Hauptstadtbewohner leben in trauter Eintracht mit Vögeln, Wasserschildkröten, Eidechsen, Leguanen und Fischen. Um Tiere kümmere man sich mittlerweile wohl schon mehr als um seine Mitmenschen, sinniert Frau Feng. Bei kleineren und größeren Wehwehchen kommt Gougou in eine der 42 Tierkliniken in Peking, von denen einige sogar eine Kosmetikabteilung haben.

Im "Hospital der entzückenden Tiere", wo täglich rund hundert Patienten behandelt werden, bietet ein Hundesalon für 200 Yuan eine komplette Schönheitsbehandlung - Maniküre inbegriffen. Presseberichten zufolge gehen dort auch importierte Hundeshampoos für jeweils 100 Yuan über den Ladentisch. Dass eine solche Tierliebe in China einst als westliche Dekadenz gebrandmarkt wurde, scheint längst vergessen.

Patrick Baert

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