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Computerspiele: Kirchen in den USA locken Jugendliche mit Ego-Shooter

In den USA wollen Kirchengemeinden Jugendliche mit Videospielen zum Glauben führen. Dabei kommt auch das populäre Ballerspiel "Halo 3" als Werbemittel zum Einsatz - und sorgt für hitzige Debatten.

Drei Außerirdische hat der Kämpfer bereits mit dem Sturmgewehr erschossen, einem vierten Angreifer rammt er ein Schwert in den Körper. Die Jugendlichen sind begeistert. Sie drücken auf die Videospiel-Bedienung und starren auf den großen Bildschirm. Dieser steht nicht etwa in einer Spielothek, sondern in einem kirchlichen Jugendzentrum. Seit kurzem locken hunderte protestantische Kirchengemeinden in den USA auf diese Weise junge Gläubige an. Nun ist eine intensive Debatte um diese ungewöhnliche Missionierungsaktion ausgebrochen.

Kritiker sprechen von Gewaltverherrlichung und einem Verstoß gegen den Jugendschutz. Denn "Halo 3", so der Name des Spiels, ist in den USA erst ab 17 Jahren freigegeben. In den Gemeinderäumen ballern aber durchaus auch Zwölfjährige munter drauf los. Bei dem sogenannten Ego-Shooter-Spiel attackiert ein bis an die Zähne bewaffneter Kämpfer Außerirdische, die aus religiösen Gründen die Erde zerstören wollen. "Die Zeiten, in denen man Jugendliche mit Bingo, Brettspielen und ein bisschen Sport begeistern konnte, sind vorbei", sagt Lane Palmer, ein Initiator der Aktion. "Kirchen müssen heute kreativ sein und neue Wege finden, um junge Menschen zu gewinnen."

Palmer ist Jugendbeauftragter der gemeinnützigen "Dare-2-Share"- Organisation (Traue Dich mitzumachen) aus Arvada im US-Bundesstaat Colorado und berät Kirchen bei ihrer Jugendarbeit. Diese muss sich nach seinen Worten stärker an aktuellen Trends wie den Harry-Potter- Büchern, Kinofilmen oder populären Videospielen wie "Halo 3" orientieren. Kürzlich erklärte seine Organisation in einer E-Mail an mehrere tausend Jugendliche, wie sich Glauben und Ballerspiele vereinbaren ließen. Einer der Tipps: "Benutzt Halo als Basis für eine Diskussion über Gott und Teufel."

"Es macht einfach Spaß, Menschen wegzupusten"

Die Reaktionen seien überwältigend gewesen, erzählt Palmer. "Eine derart positive Antwort haben die Kirchen von den Jugendlichen seit Jahren nicht erlebt." Manche Gemeinden wie die Country Bible Church in Ashby (Minnesota) planen inzwischen sogar, die Anzahl ihrer Fernseher zu verdoppeln. "Endlich haben wir etwas gefunden, was junge Menschen interessiert und nichts mit Drogen, Alkohol oder vorehelichem Sex zu tun hat", sagte der dortige Jugendpfarrer David Drexler der "New York Times". Die Kinder beschrieben dem Blatt ihre Motivation etwas anders. "Es macht einfach Spaß, Menschen wegzupusten", erklärte der zwölfjährige Tim Foster.

"Halo 3" ist allerdings auch unter den protestantischen Kirchen selbst umstritten. Zwei der größten Glaubensgemeinschaften, die United Methodist und die Evangelical Lutheran Church, lehnen den Einsatz des Spiels als Werbemittel ab. Der Zweck heilige nicht alle Mittel, findet auch James Tonkowich, Präsident des Institute on Religion and Democracy (Institut für Religion und Demokratie). "Sonst könnte man Jugendliche auch mit kostenlosem Alkohol oder Pornofilmen in die Kirche locken", sagte er der "New York Times".

"Herr Tonkowich vergleicht Äpfel mit Birnen", entgegnet der Jugendbeauftragte Palmer. Als Vater könne er die Ängste vieler Eltern durchaus nachvollziehen. "Aber im Gegensatz zu Alkohol oder Pornos glaube ich, dass im Rahmen eines gewalttätigen Videospiels sehr wohl eine tiefgehende religiöse Debatte möglich ist." Und wie verträgt sich das Killer-Spiel mit dem fünften Gebot "Du sollst nicht töten"? Das gelte im wirklichen Leben natürlich weiter, betont Palmer, "aber auf dem Bildschirm sehe ich das nicht so eng". (mit dpa)

Andreas Kröner[dpa]

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