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Panorama: Damals war es eine Bombe

Von Rainer W. During Bombenanschlag, Raketenabschuss oder Materialermüdung – der rätselhafte Absturz des 22 Jahre alten Jumbo-Jets in Taiwan hat ähnliche Spekulationen ausgelöst wie 1996 die spektakuläre Explosion einer anderen Boeing 747 auf dem Flug von New York nach Paris.

Von Rainer W. During

Bombenanschlag, Raketenabschuss oder Materialermüdung – der rätselhafte Absturz des 22 Jahre alten Jumbo-Jets in Taiwan hat ähnliche Spekulationen ausgelöst wie 1996 die spektakuläre Explosion einer anderen Boeing 747 auf dem Flug von New York nach Paris. Für die China Airlines, deren Ruf sich nach einer Vielzahl von Unfällen in der Vergangenheit gefestigt hatte, könnte das Unglück, das 225 Menschenleben forderte, verheerende Folgen haben. Fast genau an der gleichen Stelle in der Straße von Taiwan, wie diese Meeresregion heißt, unweit der Penghu-Inseln, hat die Gesellschaft 1971 schon einmal einen Jet unter vergleichbaren Umständen verloren. Damals galt ein Sprengsatz als Ursache für den Crash der mit 25 Passagieren besetzten Caravelle. Warum die Maschine mit der Flugnummer CI 611 rund 22 Minuten nach dem Start in Taipeh in gut 11 000 Metern Flughöhe explodierte und der Crew nicht einmal Zeit für einen Notruf blieb, darüber herrscht bisher noch völlige Unklarheit. Wie im Fall des TWA-Fluges 800 vor New York wurden Spekulationen laut, wonach der Jumbo von einer Bombe zerfetzt oder – möglicherweise versehentlich – von einer Militärrakete abgeschossen wurde.

Der Direktor des nationalen Sicherheitsbüros, Huang Lei, beeilte sich darauf zu versichern, dass man keinerlei Anhaltspunkte für militärische Aktivitäten in Taiwan oder in der Volksrepublik China habe. Bei der TWA-Boeing, die vor sieben Jahren kurz nach dem Start in New York mit 230 Menschen an Bord explodierte und in den Atlantik stürzte, hatten die Ermittler schließlich eine technische Ursache gefunden. Ein Kurzschluss in einem Kabel der Füllstandsanzeige hatte das Kerosin-Luft-Gemisch im nur teilweise gefüllten Haupttank zwischen den Tragflächen entzündet. Obwohl daraufhin eine Reihe von Sicherheitsvorschriften erlassen wurde, dürften noch längst nicht alle Flugzeuge umgerüstet worden sein. So ging noch im März vergangenen Jahres vermutlich aus der gleichen Ursache eine auf dem Flughafen von Bangkok (Thailand) geparkte Boeing 737 in Flammen auf und wurde zerstört.

Auch Materialermüdung oder ein Wartungsfehler können als Ursache für den Absturz nicht ausgeschlossen werden. Eine Beschädigung der Druckkabine kann in dieser Flughöhe ebenfalls zu einem explosionsartigen Auseinanderbrechen des Flugzeugs geführt haben. Endgültigen Aufschluss könnte die Auswertung des Flugschreibers bringen, der noch vom an der Absturzstelle rund 60 Meter tiefen Meeresgrund geholt werden muss, wo eine raue See mit bis zu drei Meter hohen Wellen die Bergungsarbeiten zunächst behinderte.

Bei dem Flugzeug handelte es sich um die letzte Passagiermaschine der China Airlines der ersten Jumbo-Generation Boeing 747-200. Es hatte nach Angaben der Herstellerfirma seit 1979 64 394 Flugstunden und 21 180 Landungen absolviert.

Nach dem Unglücksflug sollte der Großraumjet, der zuletzt am 3. Mai in der Wartung war, ausgemustert und verkauft werden. Boeing hat Experten nach Taiwan geschickt, die bei den Untersuchungen helfen sollen. Die taiwanesische Regierung hat vorsorglich die vier noch bei der Gesellschaft fliegenden 747-200-Frachter mit einem Startverbot belegt und eine technische Überprüfung der 51 übrigen Maschinen angeordnet.

Rund 20 Minuten vor dem Unglück hatte die Besatzung in ihrem letzten Funkspruch das Erreichen der Reiseflughöhe gemeldet. Die Boeing befand sich auf dem Weg nach Hongkong. Flugkapitän Ching-Fong Yo und Co-Pilot Yea Shyong Shieh verfügten beide über mehr als 10 000 Stunden Flugerfahrung und hatten - wie viele Angehörige der China Airlines - ihre Karriere bei der Luftwaffe ihres Heimatlandes begonnen. Von den 206 Passagieren stammten 189 aus Taiwan, der Rest aus der Volksrepublik China einschließlich Hongkong, Macao und Singapur.

Einziger Europäer an Bord war ein Schweizer, dessen mit Luigi Heer angegeben wurde. Die China Airlines, die im vergangenen Jahr 8,3 Millionen Passagiere beförderte, fliegt in Deutschland nur Frankfurt an.

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