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Es waren nicht die Gurken. Die Suche nach dem Erreger beginnt von vorne.

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Update

Darmkeim: Zahl der EHEC-Infizierten steigt weiter

Die Zahl der Erkrankungen am Darmerreger EHEC hat vor allem in Norddeutschland rasant zugenommen. Aber auch in Berlin steigt die Zahl. Und noch immer herrscht Unklarheit über die Ursache.

"Wir verzeichnen wieder einen deutlichen Anstieg der Erkrankungsfälle durch EHEC und HUS", sagte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) am Mittwoch in der Hansestadt. Die Situation bleibe besorgniserregend. Auch sei es auf jeden Fall zu früh, um in irgendwelcher Form Entwarnung zu geben. In Niedersachsen nahm die Zahl der Infektionen binnen eines Tages um 30 Prozent auf 344 zu, in Hamburg um 99 auf 668. Die Zahl der Todesfälle stieg bundesweit derweil auf 16. Auch in Berlin gibt es mittlerweile 37 Fälle. Zwölf Patienten leiden unter dem HU-Syndrom, das heißt die Infektion nimmt einen besonders schweren Verlauf und kann tödlich enden.

Inzwischen wurde bekannt, dass die untersuchten spanischen Salatgurken vom Hamburger Großmarkt nicht für den Ausbruch der EHEC-Epidemie in Norddeutschland verantwortlich sind. Der Stamm O104:H4, der für den derzeitigen Ausbruch der gefährlichen Darmkeim-Infektionen mit schwerwiegenden gesundheitlichen Auswirkungen verantwortlich ist, sei bei keiner der vier untersuchten spanischen Gurken nachgewiesen worden, sagte ein Sprecher des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). An vier Salatgurken aus dem Hamburger Großmarkt war das EHEC-Bakterium in der vergangenen Woche nachgewiesen worden. Bisher hieß es, drei der Gurken stammten aus Spanien, und bei der vierten Gurke deuteten Hinweise auf Lieferwege aus den Niederlanden hin. Das BfR hat nun nach eigenen Angaben Informationen, dass auch die vierte Gurke aus Spanien stammt. Die Hamburger Gesundheitsbehörde erklärte jedoch bisher, die genaue Herkunft dieser Gurke sei unklar. Die EU-Kommission hat unterdessen ihre Gesundheitswarnung vor spanischen Gurken im Zusammenhang mit dem Fund des Darmkeims EHEC aufgehoben.

Die spanische Regierung erwägt nun rechtliche Schritte gegen die Hamburger Behörden, die im Zusammenhang mit der Epidemie vor Gemüse aus Spanien gewarnt haben. Ein Bauernverband, Asaja, kündigte Schadenersatzforderungen an, sagte aber zunächst nicht, ob von der spanischen Regierung, Deutschland oder der EU. Der stellvertretende Ministerpräsident Alfredo Perez Rubalcaba sagte am Mittwoch in Madrid: "Wir schließen nicht aus, Schritte gegen Hamburger Behörden einzuleiten, die die Qualität unserer Produkte infrage gestellt haben."

Das Bundesverbraucherministerium verteidigte hingegen die Warnung vor spanischen Gurken. Die Hamburger Behörden hätten gemäß geltender Vorschriften gehandelt, sagte Ministeriumssprecher Holger Eichele in Berlin. Angesichts der potenziellen Risiken sei eine schnelle, öffentliche Warnung angebracht gewesen. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) reagierte auf die mögliche Schadenersatzklage Spaniens gelassen. EHEC gehöre nicht auf Gurken und sonstige Gemüse, und deshalb seien die in Hamburg eingeleiteten Schritte absolut in Ordnung, sagte Scholz und wies damit die Kritik der spanischen Agrarministerin Rosa Aguilar zurück. Aguilar hatte am Dienstag bei einem Treffen mit EU-Kollegen im ungarischen Debrecen gesagt, dass Spanien auf EU-Ebene Entschädigungen für alle europäischen Landwirte verlangen wolle, die wegen der tödlichen EHEC-Seuche Verluste hätten.

Die Zahl der übermittelten EHEC-Fälle ist nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) seit Anfang Mai auf 1.064 gestiegen. An dem gefährlichen Hämolytisch-Urämischen Syndrom (HUS) seien inzwischen 470 Personen erkrankt. 74 Prozent dieser HUS-Fälle stammten aus Schleswig-Holstein (121), Hamburg (97), Nordrhein-Westfalen (75) und Niedersachsen (51). Betroffen vom dem HUS-Ausbruch seien mittlerweile alle Bundesländer.

Unterdessen läuft die Suche nach der Quelle der gefährlichen Infektionen nach Worten von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) mit Hochdruck weiter. Die Befragung Erkrankter sei "das Wichtigste", sagte Aigner im ZDF. Das RKI befrage Patienten, wo und was sie gegessen hätten. Auch die Lieferwege von Lebensmitteln müssten zurückverfolgt werden. Laut Aigner sei festgestellt worden, dass Erkrankte Gurken, Tomaten und Blattsalat gegessen hätten. Zwar könne derzeit nichts ausgeschlossen werden, aber die Schnittmenge bei diesen drei Produkten sei am größten. Die Suche nach der Quelle sei auch deswegen so wichtig, weil Schadenersatzfragen ganz wesentlich mit der Ursache zusammenhingen.

Wegen der EHEC-Infektionswelle haben die Veranstalter des 33. Deutschen Evangelischen Kirchentags erste Konsequenzen gezogen. Grüner Salat, Tomaten und Gurken seien aus dem Speiseangebot entfernt worden, sagte Geschäftsführer Hartwig Bodmann. Zudem riefen die Veranstalter zur regelmäßigen Handhygiene auf.

Neben dem Universitätsklinikum Münster entwickelte unterdessen auch das BfR zusammen mit der französischen Lebensmittelagentur ANSES einen Test zur Erkennung des gefährlichen Durchfall-Erregers.
Das evaluierte System erkennt den Angaben zufolge den EHEC-Stamm O104:H4 in Lebensmitteln. Das Institut hoffe, dass mit diesem Test die Quelle für die Infektionen mit dem EHEC-Stamm O104:H4 aufgedeckt und die risikobehafteten Lebensmittel schnell aus dem Markt genommen werden könne. Darüber hinaus solle der Test Klarheit über die Infektionskette verschaffen, sagte BfR-Präsident Andreas Hensel. Das BfR habe die Methode inzwischen den Untersuchungslaboratorien der Bundesländer zur Verfügung gestellt, hieß es weiter. (dapd)

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