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Panorama: Das Öl wird zur Pest

Im Golf von Mexiko droht eine Verseuchung des Mississippi-Deltas – ein drittes Leck wurde entdeckt

ch

Das auslaufende Öl vor der Südküste der USA ist offenbar dabei, außer Kontrolle zu geraten. Vertreter der Küstenwache und des Nationalen Amtes für die Ozeane erwarten, dass Teile des Ölteppichs in der Nacht von Freitag auf Samstag auf die Küstenlinie treffen. Parallel erfuhr Amerikas Öffentlichkeit am Donnerstag, dass fünfmal so viel Rohöl aus dem Bohrloch unter der verunglückten Förderplattform in den Golf von Mexiko strömt wie bisher angenommen. Die US-Regierung hat die Ölpest am Donnerstag als Katastrophe „von nationaler Bedeutung“ eingestuft. Es wird auch daran gedacht, das US-Militär zu Hilfe zu rufen: Die Regierung in Washington bot Ausrüstung und Personal an. US-Präsident Barack Obama will Heimatschutzministerin Janet Napolitano, den Innenminister Ken Salazar und die Chefin der Umweltbehörde (EPA), Lisa Jackson, am Freitag in die Krisenregion schicken, um sich zu informieren und Druck auf die Ölfirma BP zu machen.

Nach neuen Schätzungen strömen täglich nicht 160 000, sondern 800 000 Liter Öl ins Meer. US-Medien sind dazu übergegangen, das Volumen in Barrel anzugeben. Demnach sind es 5000 statt der bisher vermuteten 1000 Barrel pro Tag.

Der gefährliche Schlick wird den Prognosen zufolge zuerst die Südostspitze des Bundesstaates Louisiana erreichen. Dort erweitert sich der Mississippi zu einem etwa 30 Kilometer breiten Delta. Der potenzielle Schaden für das einzigartige Ökosystem ist schwer zu ermessen. Die Küstenwache hat begonnen, schwimmende Barrieren auszulegen, die verhindern sollen, dass das Öl in die Flussläufe, Marschen und Feuchtgebiete eindringt und dort Tier- und Pflanzenwelt bedroht sowie die riesigen Austernbänke. Auf 30 Kilometer Länge sind die Barrieren bereits ausgebracht, weitere 50 Kilometer sollen bis Freitag Abend folgen.

Die Versuche, Teile des Ölteppichs in großer Entfernung vom Land aufzuhalten und ihr Schadenspotenzial zu verringern, waren zum Teil erfolgreich. Es gelang der Küstenwache, kleinere Mengen des auf der Meeresoberfläche schwimmenden Öls vom großen Ölteppich zu trennen und in sicherer Entfernung kontrolliert zu verbrennen. Dies ist ein aufwendiges Verfahren, da das Rohöl nach Expertenaussagen auf dem Wasser nur brennt, wenn es zu einer Schicht von mindestens einem Drittel Zentimeter Höhe konzentriert wird und kaum Wasser beigemischt ist. Sobald die Wellenhöhe einen Meter übersteigt, Strömung im Spiel ist oder der Wind stärker als 20 Knoten weht, sinken die Erfolgschancen für diese Abfackelung.

Mary Landry, die Admiralin der Küstenwache, die im Zuge des Unglücks zu einem nationalen Medienstar geworden ist, sagte, das Verbrennen sei „nur einer von mehreren Ansätzen“. Die Gesamtlage beschreibt sie so: „Es wäre verfrüht, von einer Katastrophe zu sprechen. Aber die Situation ist sehr ernst.“

Die Angaben über die Menge des auslaufenden Öls waren am späten Mittwoch Abend korrigiert worden, nachdem ein drittes Leck in dem ursprünglichen Fördersystem entdeckt worden war. Die von der BP betriebene Plattform „Deepwater Horizon“ hatte vor dem Unglück in 70 Kilometer Entfernung zur Küste täglich eine Million Liter Öl aus 1,7 Kilometer Tiefe unter dem Golf von Mexiko gefördert. Am 20. April kam es zu einer schweren Explosion, die Bohrinsel geriet in Brand und sank zwei Tage später. 115 Arbeiter wurden gerettet, elf gelten als tot.

Als die Bohrinsel versank, riss sie den „Rüssel“, das 1,7 Kilometer lange Röhrensystem, das das Öl vom Bohrloch zur Plattform hinauf leitete, mit in die Tiefe. Es liege „wie ein sich windender und teils geknickter Gartenschlauch“ unten im Ozean, sagen Fachleute. Neben zwei bekannten Lecks wurde nun ein drittes entdeckt. Eigentlich soll ein 450 Tonnen schweres Notfallventil das Bohrloch bei unerwarteter Druckzunahme oder bei Unglücksfällen automatisch abriegeln. Es funktionierte offenbar nicht. Vermutlich war das auch die Ursache der Explosion.

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