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Panorama: Der jahrzehntelange Weg, das Regelwerk der deutschen Rechtschreibung einfacher zu machen

Werner Laures kämpft für die Reform. Er reist kreuz und quer durch die Bundesrepublik und sogar durch Luxemburg, um die neue Rechtschreibung zu erklären.

Werner Laures kämpft für die Reform. Er reist kreuz und quer durch die Bundesrepublik und sogar durch Luxemburg, um die neue Rechtschreibung zu erklären. Redakteure, Mitarbeiter in Kreis- und Stadtverwaltungen und Unternehmensvertreter lernen von ihm, was in Zukunft alles einfacher werden soll. Werner Laures ist Deutschlehrer. Bei seinen Schülern in der Grundschule konnte er immerhin schon feststellen: "Die Fehlerquote hat sich um zehn bis 15 Prozent verringert."

Deutschlehrer Laures beruft sich auf die alte Schule von Konrad Duden. Nachdem die Zweite Orthographische Konferenz 1901 in Berlin ein verbindliches amtliches Regelwerk verabschiedet hatte, forderte Duden ein Jahr später, dass die Rechtschreibung nun auch einfacher werden müsse. Doch solche Versuche scheiterten immer wieder, unter anderem auch die Wiesbadener Erklärungen von 1959, in denen die gemäßigte Kleinschreibung propagiert wurde. Die DDR hatte Einspruch erhoben. Sie befürchtete - offiziell - , dass die Klassiker nicht mehr im Original gelesen werden könnten.

Unter der Leitung von Dieter Nerius nahm Mitte der 70er Jahre am Zentralinstitut für Sprachwissenschaft eine "Themengruppe Orthographie" in der DDR die Arbeit für eine einfachere Schreibweise wieder auf. Daraufhin wurde am Institut für deutsche Sprache in Mannheim 1978 eine Rechtschreibkommission gegründet. 1988 wagten sich die Mannheimer zum ersten Mal mit einem Vorschlag an die Öffentlichkeit. Ein Sturm der Entrüstung brach los, der Fortbestand der deutschen Kultur schien in Gefahr. Nun trat die Kultusministerkonferenz auf den Plan. Sie beauftragte ein Beamte der Bundesländer, die Arbeit der Rechtschreibkommission zu begleiten. 1992 legten die Reformer auf der Wiener Konferenz ihr neues Konzept vor.

Wie in deutschen Landen üblich, ging alles Weitere seinen geordneten Gang: Prüfungen über Prüfungen. Beamte erstellten Gutachten, Verbände nahmen Stellung, darunter die "Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung". Die Reformer mussten ihren Entwurf überarbeiten. Damit fiel wieder der Vorschlag zur gemäßigten Kleinschreibung weg.

Als sich der bayrische Kultusminister Zehetmair 1995 gegen die neue Schreibweise von Fremdworten zu Wort meldete, wurde die Reform erneut in Frage gestellt. Eine Medienkampagne schreckte die Ministerpräsidenten auf. Doch am 1. Juli 1996 war es so weit. Die politischen Vertreter der deutschsprachigen Staaten und weiterer Länder, in denen Deutsch von einer Minderheit gesprochen wird, unterzeichneten eine Gemeinsame Erklärung zur Neuregelung der Deutschen Rechtschreibung. Sie wurde am 1. August 1998 wirksam. Für ihre Umsetzung legte man eine Übergangszeit bis zum 31. Juli 2005 fest. Schon im Schuljahr 1996/97 unterrichteten die Lehrer in der Mehrzahl der Schulen in Deutschland nach den neuen Regeln.

Gegner der Erklärung meldeten sich weiterhin zu Wort: In Schleswig-Holstein wurde 1998 zum Beispiel mit Erfolg ein Volksbegehren durchgeführt. Das Berliner Referendum scheiterte kürzlich. Deutsche Gerichte waren in den letzten Jahren mit Klagen gegen die gewiß noch reformbedürftige Reform beschäftigt, auch das Bundesverfassungsgericht. Sie brachten die Gegner nicht weiter, zur Freude von Lehrer Laures.

Regina Villavicencio

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