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Panorama: Der Pirat, den die Frauen lieben

Seit 20 Jahren verzaubert Johnny Depp das Publikum – bald kommt sein neuer Film „Fluch der Karibik“ ins Kino

Fanfaren begleiten seinen ersten Auftritt. Sie verkünden bereits den Sieg, den er nach vielen Abenteuern erringen wird: Auf dem obersten Quermast eines langsam versinkenden Segelschiffs nähert sich Käpten Sparrow der karibischen Hafenstadt, und er setzt seinen rechten Fuß gerade in dem Moment an Land, als unter seinem linken das Schiff im Hafenbecken verschwindet. Mit Knebelbart, weitem, offenem Hemd und wahlweise Kopftuch oder Dreispitz erfüllt Johnny Depp äußerlich das Piratenklischee. Aber Käpten Sparrow ist in Depps Interpretation kein Klischeepirat. Vielmehr verleiht ihm Johnny Depp eine Aura von müder Extravaganz und Undurchschaubarkeit, in die sich ein Hauch von Ironie mischt.

Denn der Seemann, der den Gezeiten und Unwettern der Weltmeere trotzt, hat zu viel Sonne gesehen und zu wenig festen Boden unter den Füßen gehabt. Und so setzt er an Land vorsichtig einen Schritt vor den anderen, hebt die Knie ein wenig zu hoch, sucht, gelegentlich mit den Armen rudernd, das Gleichgewicht zu halten und erinnert dabei an einen seltsamen exotischen Vogel. Sogar entstellende Maßnahmen hat Depp für diese Rolle in Kauf genommen: Seine verfilzte Mähne wirkt unappetitlich, seine Fingernägel sind verdreckt und einige seiner Zähne von verschiedenfarbigen Goldkappen bedeckt. Damit kommt er dem realen Erscheinungsbild der Piraten näher als sein gut rasierter, vor Sauberkeit strahlender Vorgänger Erroll Flynn, der in den 30er Jahren ganz ähnliche Rollen wie Depp heute spielte.

Stiller Junge

Johnny Depp, 1963 in Kentucky geboren, war ein stiller Junge, der unter den häufigen Umzügen seiner Familie litt, kiffte und am liebsten in seinem Zimmer Gitarre spielte. Die High School brach er nach der Scheidung seiner Eltern ab, ging, kaum 16-jährig, nach Los Angeles und wurde Gitarrist bei einer Band namens „The Kids".

Mit 20 heiratete er, wurde jedoch bald wieder geschieden. Immer noch hoffte er auf den Durchbruch als Musiker. Als er den Schauspieler Nicolas Cage kennen lernte, begann, völlig unerwartet, seine Karriere beim Film.

Nach kleinen Rollen in „Nightmare on Elm Street" (1984) und Oliver Stones „Platoon" (1987) machte er zum ersten Mal 1990 in „Edward mit den Scherenhänden" ein breiteres Publikum auf sich aufmerksam. Da war er ein skurriler Außenseiter wie wenig später in „Gilbert Grape" und „Ed Wood": In all diesen Filmen spielte er Figuren, die ein bisschen zu seiner Biografie passen – rebellisch, fantasievoll, verletzlich, und damit legte er bereits den Grundstein für seine Paraderolle als romantischer Held.

Abgesehen von „Fluch der Karibik", der in den USA zur Zeit ganz oben in der Gunst der Kinobesucher steht, hat Johnny Depp selten in den Blockbustern gespielt. Er bevorzugt kleinere, unaufwändigere Produktionen und Regisseure, die wie Roman Polanski und Lasse Hallström, Mika Kaurismäki und Sally Potter aus Europa stammen.

Obwohl er, wie man immer wieder feststellen konnte, reiten und fechten kann und, besonders in „Fluch der Karibik", seine athletischen Fähigkeiten unter Beweis stellt, ist er kein Action-Held. Nein, seine Figuren sind stets von einem Hauch Melancholie umgeben, wirken undurchdringlich und gerade deshalb so begehrenswert, denn man ahnt, dass sie niemals wirklich Nähe zulassen. So ist Käpten Jack Sparrow wie seine Vorgänger, die Polizisten in „Sleepy Hollow" (1999) und „From Hell", der Antiquar in „Die neun Pforten", die Zigeuner in „The Man Who Cried" (2000) und „Chocolat", ein einsamer Mann, der nur gelegentlich erahnen lässt, dass hinter seiner extravaganten Attitüde und unübertrefflichen Coolness eine tiefe Sehnsucht nach Wärme steckt. Dazu passt, dass Johnny Depp sich für seine Rollen stets elegant verhüllen muss. Weite Hemden und Hosen stehen ihm genauso gut wie lange Mäntel und Capes, Masken und auch als eher unmännlich geltende Accessoires wie bunte Perlen, Schals, Armbänder.

Der Hollywood-Society hat sich Johnny Depp erfolgreich entzogen – er lebt mit seiner Familie in Südfrankreich – und damit auch dem Starrummel. Erst seit der Geburt seiner Tochter wisse er wirklich, was Leben bedeutet, hat er einmal gesagt und damit nicht nur die drei Jahre, die er mit Kollegin Winona Ryder verlobt war, für bedeutungslos erklärt. Jetzt ist was anderes dran: das Glück. Wer gönnt es ihm nicht.

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