zum Hauptinhalt

Panorama: Der wird noch Präsident

Ein 18-jähriger Schüler ist in einer Kleinstadt im US-Staat Michigan zum Bürgermeister gewählt worden

Am Ende ist es dann doch ganz knapp geworden: Mit nur zwei Stimmen Vorsprung, das ergab eine Nachzählung per Hand, hat ein 18-jähriger Außenseiter den 51-jährigen Amtsinhaber geschlagen. Aber da waren die Fernsehkameras längst wieder abgebaut in dem 9000-Seelen-Städtchen Hillsdale in Michigan. Heute wird Michael Sessions als neuer Bürgermeister in sein Amt eingeführt: ein Schüler der örtlichen High School, der seinen Überraschungssieg nicht einmal mit Sekt feiern durfte; Alkohol ist erst ab 21 Jahren erlaubt. Und wenn das lokale College demnächst eine Straße neu teeren lassen will, muss die Verwaltung bei einem Teenager anfragen, der dort nächstes Jahr sein Studium aufnehmen will.

Michael Sessions ist mit Sicherheit das jüngste Stadtoberhaupt, das Hillsdale je hatte, aber wahrscheinlich auch der jüngste Bürgermeister in der Geschichte Amerikas. Die Vorläufer, die der US-Verband der Bürgermeister in einer ersten Archivanfrage zu Tage förderte, waren ein paar Monate älter: Jeffrey Dunkel wurde 2002 in Mount Carbon, Pennsylvania, einen Monat vor seinem 19. Geburtstag vereidigt, Chris Portman in Mercer, Pennsylvania, war bereits 19.

Es ist eine typische amerikanische Heldengeschichte – mit Willen und Fleiß kann man alles erreichen. Fernsehen und Zeitungen zeigen einen schlanken, hochgewachsenen jungen Mann mit kurzen braunen Haaren entweder in den Gängen seiner High School oder auf der Lichtung des weiß gestrichenen, lang gestreckten anderthalbstöckigen Familienhauses, das inmitten von Laubbäumen steht. Ganz wie die Profis hat er die Hand zum Gruß in die Menge erhoben. Michael Sessions Sieg ist besonders bemerkenswert, weil sein Name nicht mal auf den Stimmzetteln stand. Als die im Sommer gedruckt wurden, durfte er noch nicht kandidieren, er wurde erst am 22. September 18. Um ihn zu wählen, musste man seinen Namen auf den Stimmzettel schreiben. Von Haus zu Haus sind er und seine Freunde gezogen, um „den Namen in die Köpfe zu kriegen“, erzählt Sessions den Medien. 700 Dollar hat er in seine Kampagne gesteckt, vor allem um Visitenkarten zu drucken; das Geld hat er in den Sommerferien mit dem Verkauf von Karameläpfeln und anderen Snacks verdient.

„Der hat Wahlkampf betrieben, als wolle er Präsident werden“, lobt ein Lehrer. „Viele Jugendliche verachten Politik, so ein Beispiel verdient Unterstützung“, sagt ein anderer; er gab dem Schüler Tipps. Der Einsatz hat Sessions kurz vor dem Wahltag ins Krankenhaus gebracht: mit Bronchitis, bei den Vorstellungstouren wollte er keinen Mantel tragen.

Hillsdale, 70 Meilen südwestlich der Universitätsstadt Ann Arbor, leidet wie viele Städtchen im mittleren Westen unter dem Abbau von Arbeitsplätzen und Bevölkerungsschwund. „Es fehlt an Motivation und Aufbruchsgeist“, erklärt Sessions seinen Erfolg. „Erst haben mich die Leute komisch angeschaut: Wie alt bist du nochmal?“ Dann hat er ihnen seine Ideen erklärt: die Bürger wieder miteinander ins Gespräch bringen, aktiv um Arbeitsplätze werben – und der örtlichen Feuerwehr einen vierten Mitarbeiter bewilligen, was ihm die offizielle Unterstützung der Feuerwehr einbrachte.

Sessions kam zugute, dass Amtsinhaber Douglas Ingles, der eine Rollschuhbahn betreibt, so gut wie gar keinen Wahlkampf führte. Und dass er bei einer niedrigen Wahlbeteiligung von unter 30 Prozent seine Wähler an die Urnen brachte. 732 zu 668 Stimmen, hieß es nach der automatischen Auszählung – der Computer war so eingestellt, dass jeder zusätzliche Vermerk auf einem leeren Stimmzettel als Votum für Sessions galt. Der alte Bürgermeister Ingles verlangte eine Nachzählung per Hand. Bei der Sitzung am Donnerstag wurde „der 18-jährige Schuljunge“ als Votum für Sessions gewertet, der Vermerk „jeder andere“ neben dem Namen Ingles nicht, erklärt das elektronische Gemeindeblatt „hillsdale.net“. Am Ende hatte Sessions zwei Stimmen Vorsprung, 670 zu 668, Ingles verzichtete auf weitere Anfechtungen.

Kurz vor Sessions Vereidigung ist die Stimmung in Hillsdale geteilt. „War vielleicht doch keine so gute Idee“, grummeln die einen. Andere trösten sich damit, dass der Bürgermeister eine eher repräsentative Funktion hat, ohne Dienstzimmer und Zuarbeiter. 250 Dollar monatliche Aufwandsentschädigung gibt es für das Ehrenamt. Regiert wird die Stadt vom achtköpfigen Gemeinderat (Sessions hat dort die neunte Stimme) – und verwaltet von einem hauptamtlichen Stadtdirektor. Der 18-Jährige will jetzt erst mal sein Zimmer daheim so umbauen, dass er es als Büro nutzen kann.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false