zum Hauptinhalt
Wie steht's um uns Deutsche in Europa? Helmut Schümann umrundet unser Land mit dem Rucksack auf dem Rücken.

© privat

Deutschland drumherum (30): Grenzgänger unter sich

Helmut Schümann umreist noch immer die Bundesrepublik. Noch im Elsass , trifft er Patrique Reebeer, dessen Haus nur drei Meter von der deutschen Grenze entfernt steht. Ein Umstand, der deutschen und französischen Grenzgängern eine Unterkunft bot.

Es ist nicht so, dass die aktuelle Geschichte keine Rolle spielt bei dieser Umrundung Deutschlands. Angela Merkels Sparkurs, Deutschlands Rolle in Europa? „Ja, es muss überall gespart werden“, sagte Patrique Reebeer am Tresen eines Hotels in Weißenburg. Der Mann, einst Buchdrucker, jetzt, „wo das Internet uns nicht mehr braucht“, Forellenzüchter, zuckte mit den Schultern und wollte auf die Geschichte zu sprechen kommen.

Die Geschichte des Hauses seines Großvaters, des Hauses, in dem auch er zeitweise gelebt hat und einer seiner Cousins noch heute lebt, einem Haus, das etwa drei Meter entfernt von Deutschland in Frankreich steht, „als Kinder haben wir Kirschsteinspucken von einem Land ins andere gemacht“, sagte Patrique. Über die Lauter hinweg, den Bach, der Opas Haus von Deutschland trennt. „Oder wir sind durchgeschwommen“, erzählt Patrique, „wir rüber nach Deutschland, die von drüben nach Frankreich.“

Hausgeschichte: Nach dem Zweiten Weltkrieg hat der Großvater Soldaten in der Scheune untergebracht

Patrique ist 56 Jahre alt, den Krieg, von dem auch hier alle immer wieder reden, hat er genauso wenig mitbekommen wie ich. Aber der Großvater hat, und auch sein Onkel, der Robert Rieber. Demnach war das unscheinbare Haus Durchgangsstation, der „Großvater“, erzählte Patrique, „hat hier in der Scheune die Soldaten untergebracht, hat ihnen zu essen gegeben und sie dann rübergeschickt über die Grenze. Die Franzosen nach Frankreich, die Deutschen nach Deutschland, entlassene Kriegsgefangene oder befreite, je nachdem. So erzählen es die Alten. Und es gibt keinen Grund, es nicht zu glauben“. Patrique fragte nach meinem Vater. Ich sagte, dass ich wenig darüber wisse, zu früh verstorben für Fragen, er habe wohl Glück gehabt und sei früh in Gefangenschaft gekommen und habe, meines Wissens, irgendwo in Frankreich bei einem Bäcker gearbeitet.

„Ah“, sagte Patrique, „wahrscheinlich einer, von denen mein Großvater erzählt hat, die, die über Nacht verschwunden sind und einen Zettel hinterlegt haben, ,tut mir leid, ich habe ein Brot mitgenommen’.“ Jetzt zuckte ich mit den Schultern, „keine Ahnung“. Patrick lachte. „Wenn die Kirschen schon reif wären, könnten wir morgen vom Haus des Großvaters aus Kirschenweitspucken über die Lauter.“ Schade, dass die Kirschen noch grün sind.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false