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Wie steht's um uns Deutsche in Europa? Helmut Schümann umrundet unser Land mit dem Rucksack auf dem Rücken.

© privat

Deutschland drumherum (38): Holland ist wunderbar

Gegen Ende seiner Deutschland-Umwanderung werden unserem Kolumnisten Helmut Schümann die Beine schwer. Was für ein Glück, dass er jetzt in Holland ist - nicht nur, weil es dort keine Berge gibt.

Es läuft sich gut in den Niederlanden. Es könnte damit zusammenhängen, dass es keine Erhebungen mehr gibt, der Wanderer in der Endphase mag keine Erhebungen mehr. Ich bin sozusagen im Endspurt. Der Begriff Spurt ist allerdings sehr dehnbar, wahrscheinlich können auch Schnecken spurten. Mein Endspurt ist so ein Schneckenspurt. Erhebungen sind dabei sehr störend, akzeptabel ist gerade noch die Bordsteinkante.

Ein anderer Grund für das gute Laufen in den Niederlanden sind ihre Bewohner. Gut, ich habe noch nicht alle kennen gelernt, aber die, an denen ich vorbei laufe, grüßen freundlich oder winken aus ihren Wohnzimmern, in die man hineinschauen kann, weil die Holländer, zumindest die auf dem Land, weiterhin keine Gardinen kennen. Weiterhin, weil diese Offenheit schon beim ersten Hollandbesuch vor vielleicht vierzig Jahren aufgefallen war. Dies und die Gepflogenheit der Niederländer in ihren Kneipen Teppiche auf die Tische zu legen, offene Herzen und die Kneipe zum Wohnzimmer gemacht, beides spricht eindeutig für Holland.

Es ist in den vergangenen Jahren oft zu lesen und zu sehen gewesen,. Dass den Niederländern ihre Liberalität abhanden gekommen ist. Vielleicht ist das so, dass Rechtspopulisten sich breit machen können, kommt nicht von ungefähr. Als anderes Indiz wird gerne der Umstand herangezogen, dass die Niederlande ihre berühmten Koffie-Shops für Touristen dicht gemacht hat, no hope for dope (Psst, für an Special interessierte, der Niederländer als solcher neigt auch dazu, Gesetze etwas lässiger auszulegen, einen zumindest kenne ich jetzt, verrate aber nicht, wo ich ihn kennen gelernt habe, nicht, dass der gute Mann Ärger bekommt).

Aber der wohl wichtigste Punkt für gutes Laufen – und jetzt handele ich mir gewiss viel Ärger ein – ist das traumhafte Fahrradwege-Netz der Niederlande. Es gibt wohl keinen Flecken, zu dem man nicht auf einem Fahrradweg gelangen könnte, den dürfen auch Fußgänger benutzen. Zumindest gibt es nie Streit zwischen Radlern und Fußgängern. Und dieses Leben und Leben lassen setzt sich auch in den Innenstädten fort. Die meisten Innenstädte sind, wenn die Lieferautos ihre Geschäfte für die Geschäfte erledigt haben für Autos gesperrt. Ein normaler Donnerstagnachmittag in Nijmegen. Der Grote Markt ist für Nijmegen ungefähr das, was der Gendarmenmarkt für Berlin ist, wichtig, zentral, überlaufen. Auf dem Grote Markt und den Zufahrtsstraßen dürfen Linienbusse fahren, dürfen Fußgänger flanieren, Einkäufer einkaufen, Fahrradfahrer fahren, auch Fahrer von Motorrollern dürfen das, die dürfen das sogar ohne Helm. Und die Polizei fährt Streife durchs Gewusel. Mal im Auto, mal auf dem Rad.

Und es sind keinesfalls nur Hollandräder ohne Gangschaltung, die von oben auf den Grote Markt zufahren, es geht da auch abschüssig zu, sie haben durchaus auch Tempo, die Radler. Ich habe nicht eine Klingel gehört, kein Fluch, kein Meckern – alle Verkehrsteilnehmer gehen, ja, das ist möglich, rücksichtsvoll miteinander um, wunderbar.

Ach ja, weil es gerade wieder aktuell ist in Deutschland. Einen Fahrradhelm setzt Holland auf, wenn es im Radsportdress auf dem Rennrad einen Ausritt macht. Sonst nicht. Ich habe hier in den Niederlanden noch keinen Fahrradfahrer gesehen, außer den erwähnten Rennradlern, der einen Helm auf hatte. Ein paar zufällig angesprochene Radler schauten leicht belustigt, „Ja, ja, ich weiß von eurer Diskussion in Deutschland“, sagte einer, „macht ihr mal, wir machen nicht.“ Und schon war er wieder weg, umkurvte Passanten und fuhr seinen Weg. Holland ist wunderbar. 

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