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Wie steht's um uns Deutsche in Europa? Helmut Schümann umrundet unser Land mit dem Rucksack auf dem Rücken.

© privat

Deutschland drumherum (42): Das Ziel ist der Start

Auf seinem Weg rund um Deutschland herum ist unser Kolumnist Helmut Schümann kurz vor seinem Ziel in Dänemark angelangt. Für ihn ist es wohl an der Zeit, nach Hause zu kommen, denn viel Positives sieht er dort nicht. Irgendwann hat jeder Wanderer mal genug von der Einsamkeit.

Der Weg von Niebüll nach Tonder in Dänemark ist behaglich, nicht nur, weil der Wanderer das geographische Ziel der Umrundung Deutschlands näher kommen fühlt, das Ziel ist der Start. Der war in Swinemünde, was auf der persönlichen Landkarte gleich nach Dänemark kommt, der Start war am 27. April, es ist wohl an der Zeit, Heim zu kommen. Das bisschen Wasser zwischen Dänemark und dem Ziel, die Ostsee, wird irgendwie überwunden werden, notfalls wie gehabt auf dem Landweg. Der Weg nach und durch Dänemark führt durch Felder und Felder. Und Felder und Wiesen. Auf denen stehen Pferde, manchmal Schafe, aber überwiegend grasen Kühe, vereinzelte Kakaokühe, die Mehrheit aber bilden Kühe in Halbtrauer. Womöglich sind sie zur Hälfte in Schwarz, weil sie die Menschen vermissen, eventuell sogar Dänen. Nur, Menschen sind rar in dieser Gegend. Der Wanderer verfällt auch langsam in Halbtrauer. Es gibt eine Zeit für Einsamkeit, sie kann durchaus genussvoll sein, aber irgendwann ist es dann auch mal gut.

Weit und breit keine Dänen im Grenzgebiet

Dass keine Dänen zu treffen sind, ist logisch. 86 Prozent der Dänen leben in den Städten, da bleibt nicht viel fürs Land, ohnehin gibt es nicht so viele Dänen  An den Küsten ist sicherlich mehr los, da ist Dänemark Urlaubsland, aber hier im Grenzgebiet? Kühe. Einsamkeit. Die Region lebt von der Landwirtschaft und, so heißt es, sie will auch hier den Tourismus befördern. Ich bin nach Tonder gekommen, es gibt hier Menschen, sie verkaufen einem Kaffee, die Tasse für 4,30 Euro. Oder sie verkaufen einem Polser. Kann man Dänemark betreten und wieder verlassen, ohne Polser gegessen zu haben? Kann man Berlin bereisen und wieder abreisen, ohne Currywurst gegessen zu haben? Ich habe Polser gegessen auf der Ostergade, die Wurst war mit Schinken umwickelt, sie war mit irgendwelchen Saucen bekleckst, in Senf kann man sie auch tunken, um ehrlich zu sein, man sieht nach dem Verzehr so einer Polser bei aller Vorsicht aus wie Sau. Wenn man Dänemark betritt, kann man Polser essen, bevor man Dänemark wieder verlässt, muss es aber nicht sein. Zum Trost für die Dänen, mit den meisten Currywürsten in Berlin verhält es sich ähnlich, ich weiß, wovon ich rede, ich habe kürzlich einen Currywursttest gemacht. Da brauche ich nicht noch einen Polsertest. Danke, nein.

Ein paar Meter hinter dem Polserstand, findet sich in Tonder auf der rechten Seite die Redaktion der „Nordschleswiger Zeitung“. Die deutschsprachige Minderheit in Dänemark liest erfreulicherweise auch Zeitung. Und die macht unter anderen Monika Thomsen. Wir kommen ins Plaudern. Sie will mehr von meiner Umwanderung wissen, ich vom Verhältnis der Dänen zu den Deutschen („sehr gut, das ist ein Miteinander“), ich mache ein Foto von ihr an ihrem Arbeitsplatz, sie macht Fotos von mir im Wanderlook, und dann erzählt sie von den Bemühungen, in Tonder und in der Region den Tourismus zum Geschäftszweig zu machen.

Nach acht Wochen Deutschland-Umwanderung geht nicht mehr jeder Fleck raus

Von Tonder aus bin ich nach Tinglev mit dem Bus gefahren, der Bus fuhr fahrplanmäßig, aber der Busfahrer fuhr mich exklusiv. Von Tinglev nach Aabenraa bin ich wieder gelaufen. In Aabenraa gibt es auch Menschen. Und es gibt vier Hotels, von denen zwei geschlossen hatten, warum auch immer, das Wetter ist in diesen Tagen selbst in Dänemark nicht sehr anziehend. Eher ist es so, dass man viel anziehen muss, wenn man draußen herum läuft. Eins der offenen Hotels heißt „Royal“, ist außen von abblätternder Schönheit und innen von so vornehmer Hochnäsigkeit, dass mich die Dame an der Rezeption erst einmal ausgiebig von oben nach unten mustert. Ich meine, nach acht Wochen Wanderung geht bei der Wäsche im Handwaschbecken nicht jeder Schlammspritzer hundertprozentig raus. Auch sind nicht mehr alle Nähte am Pullover noch fein gesäumt. Von etwaigen Polser-Spuren will ich gar nicht reden. Bitte, das sind dänische Würste, wenn man die verkauft, muss man ein bisschen Schwund in Kauf nehmen. „Wir sind komplett ausgebucht“, sagt die Dame trotzdem.

Dänemark ist für Touristen teuer

Ich glaube ihr nicht und gehe zum nächsten Hotel, eines der Best-Western-Kette. Ich bekomme ein Zimmer, es ist eins, wie alle auf dieser Umrundung, es hat ein Bett, einen Tisch, ein eigenes Bad mit Toilette, einen Fernseher, einen Schrank, es kostet 165 Euro die Nacht. „Das ist unser Problem“, sagt die Frau beim Empfang, „60 Prozent davon gehen an den Staat, wer soll das bezahlen, das fördert den Tourismus nicht gerade.“ Am nächsten Morgen will ich von Aabenraa nach Krusa, um von dort, von der Küste, eventuell ein Boot rüber nach..., aber das ist eine anderer Geschichte. Die Entfernung zwischen Aabenraa und Krusa beträgt 20 Kilometer, das Ticket soll 14 Euro kosten. Dänemark kann sicher nichts dafür, schon mal gar nicht die Dänen, und vielleicht habe ich Dänemark an diesen zwei Tagen nur an seinen schlechten Tagen erwischt, oder ich habe den etwas unsensiblen Blick der Kühe angenommen, oder ich bin einfach kurz vor dem Ziel etwas euphorisch und überheblich. Dänemark wird definitiv nicht mein Lieblingsnachbar.

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