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Helmut Schümann trifft auf den ehemaligen Fremdenlegionär Krystian Eckert.

© Helmut Schümann

Deutschland drumherum (6): Die Begegnung mit einem Fremdenlegionär

In Krajnik Dolny staunt Helmut Schümann nicht schlecht: Für zehn Euro bekommt er ein großes Zimmer samt Fernseher und Badezimmer. Und dann trifft er Krystian Eckert, der einst als Fremdenlegionär in Somalia, Jemen und dem Kongo unterwegs war.

Noclegi heißt Übernachtung und in Krajnik Dolny steht der Hinweis am dritten Haus auf der rechten Seite, wenn man von Schwedt aus über die Brücke kommt. Oder man läuft direkt darauf zu, wenn man zu Fuß aus dem Norden kommt, zum Beispiel aus Widuchowa. Und man möge bitte im gegenüberliegenden Laden nachfragen. Dann, zumindest in meinem Fall, sagt ein freundlicher Mann, dass ein Zimmer für eine Nacht kein Problem sei, führt einen über die Straße, zeigt einem das Zimmer, nicht schön, aber geräumig und sauber und mit eigenem Bad und Toilette, drückt einem die Schlüssel in die Hand und sagt: „Kommt später die Tochter, macht Registrierung und Bezahlung.“ Parterre und in der ersten Etage befinden sich im Flur komplett eingerichtete Küchen, Gaskocher, vier Flammen, Kühlschrank, Spülmaschinen. Ich habe so etwas noch in keinem Hotel der Welt gesehen.

Etwas später klopft es, vor der Tür steht eine junge Frau, sagt auf Englisch, sie sei die Tochter und bräuchte jetzt den Personalausweis. Sie notiert alle Daten und sagt „ten Euro.“ Wie zehn Euro? Ich habe ein großes Zimmer, ich habe ein eigenes Bad, ich habe schon erfahren, dass die Dusche ganz wunderbar warm ist und nicht nur tröpfelt, ich habe einen Fernseher im Zimmer, der allerdings genauso blöd eingestellt ist wie alle Fernseher und mir auch nichts anderes zeigt, als dass Fortuna verloren hat. „Really, ten Euro?“ „Ja, ja, zehn Euro“, sagte die junge Frau, „oder vierzig Zloty, aber lieber sind mir Euro.“

Ich meine, bin ich in Absurdistan? 400, 500 Meter weiter, nur über die Brücke über die Oder, ist Deutschland, was dort wohl ein Zimmer mit der Ausstattung und dem Komfort kostet?

Hinter dem Haus befindet sich der Parkplatz. Mit Bank und Tisch, an den ich mich setze und schreibe. Ein Mann, irgendwo zwischen 30 und 40, sitzt auf den Stufen zum Eingang, trinkt Bier, steht auf, kommt rüber, fragt auf Französisch, ob er sich zu mir setzen darf. Mein Französisch ist nur petit peu, sage ich, er spricht in Englisch weiter. Ganz aufgeregt sei er, übermorgen fliege er nach Martinique, im Auftrag seines Arbeitgebers in Schwedt, Petrochemie. Ein halbes Jahr sei er dann dort. Ich sage, dass Martinique doch wohl nicht der hässlichste Arbeitsplatz sei. Ja, sagt er, aber die Familie sei wieder weit weg, „120 Kilometer von hier.“ Er sei doch gerade erst vor kurzem zurückgekehrt nach langer Abwesenheit. „I show you pictures.“ Außerdem heiße er Krystian Eckert, „doch, ich bin Pole.“ Und weil ich nicht richtig verstehe, schreibt er mir den Namen in Blockbuchstaben in den Notizblock. Steht auf, geht ins Haus, kommt wieder und drückt mir acht Fotos in die Hand. „Oh“, sage ich, „Fremdenlegion?“ „Ja“, sagt Krystian, „sieben Jahre lang, in Somalia, Jemen, Kongo.“

Die Fotos zeigen ihn beim Fallschirmsprung, mit Waffe im Anschlag, mit anderen Legionären, alle wie in der typischen Uniform der französischen Fremdenlegion. „War eine gute Zeit für mich“, sagt Krystian, „Geld kam immer pünktlich, aber man brauchte keins, Verpflegung, Kleider, ich musste kein Geld ausgeben.“ Seine sehr blauen Augen leuchten dabei. „Aber nun Martinique, kein Krieg mehr. Aber die Familie, so weit.“ Nein, Kinder habe er noch keine, aber eine Frau zu Hause. „Das ist mein Leben.“ Eins, das ich nicht kenne, drüben, 400, 500 Meter westlich auf der anderen Seite der Brücke, über die Oder.

Krystian verabschiedet sich, er müsse früh raus. Wir machen noch ein Foto von uns beiden. Dann ist er weg. Als ich eine Stunde später auch zu meinem Zimmer gehe, stehen in den Küchen auf den Fluren Männer, die sich etwas zu essen kochen. 400, 500 Meter weiter westlich muss Schlaraffenland liegen. 

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