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Passau unter Wasser. In Juni rollte eine Hochwasserwelle durch halb Deutschland. Die Furcht der Deutschen vor Naturkatastrophen ist wohl auch deshalb auf Platz zwei gerückt.

© dpa

Die Ängste der Deutschen: Deutsche haben mehr Vertrauen in Politiker

Am meisten Angst machen den Deutschen steigende Lebenshaltungskosten. Das hat sich seit 1992 kaum verändert. Auf dem zweiten Platz der deutschen Ängste steht 2013 aber, dass es immer mehr und schwerere Naturkatastrophen geben könnte. Angst vor überforderten Politikern nimmt ab.

Der deutsche Bundestagswahlkampf muss einer der erfolgreichsten aller Zeiten sein. Denn die Angst der Deutschen, dass ihre Politiker überfordert sind, oder sich nicht gut um ihre Interessen kümmern, ist stärker gesunken als je zuvor. Seit 20 Jahren befragt die R+V-Versicherung jedes Jahr 2500 Deutsche zu ihren Ängsten. Am Donnerstag stellte die Versicherungsgruppe der Volksbanken das Ergebnis ihrer Studie "Die Ängste der Deutschen 2013" vor. Die Angst vor überforderten Politikern ist demnach im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozentpunkte gefallen. "Das ist erstaunlich, zumal gerade vor Bundestagswahlen diese Werte regelmäßig nach oben gingen", sagte Rita Jakli, Leiterin des Infocenters der R+V-Versicherung, bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Seit 2001 fragen die Studienautoren nach der Überforderung von Politikern. Den Höchststand hat diese Sorge nach Angabe der Versicherung im Jahr 2003 mit 66 Prozent erreicht. Vor der Bundestagswahl 2002 stieg diese Sorge im Vergleich zu 2001 um sechs Prozentpunkte, vor der Wahl 2005 waren es fünf Prozentpunkte und 2009 immer noch vier. In Mecklenburg-Vorpommern dagegen steht die Angst vor überforderten Politikern sogar mit 60 Prozent an zweiter Stelle und ist im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozentpunkte gestiegen.

Insgesamt sind die Deutschen 2013 nicht allzu ängstlich. Zwar stieg der "Angstindex" um einen Prozentpunkt, liegt aber mit 41 Prozent dennoch nicht besonders hoch. Die Ost- und die Westdeutschen sind zudem erstmals, seit das R+V-Infocenter mit seiner Befragung begonnen hat, gleich auf. So optimistisch seien die Ostdeutschen seit den frühen 90er Jahren nicht mehr gewesen, heißt es in der Studie. Vor allem die Angst vor Arbeitslosigkeit hat demnach abgenommen, obwohl sie in Ostdeutschland noch immer höher ist als in Westdeutschland. Dagegen fürchten sich die Westdeutschen wohl auch nach der Erfahrung dieses Frühsommers, als sieben Bundesländer überflutet worden sind, mehr vor Naturkatastrophen als die Ostdeutschen. Im Westen machen Naturkatastrophen 57 Prozent der Befragten, im Osten 52 Prozent der Befragten Angst. Insgesamt steht die Angst vor zunehmenden Naturkatastrophen auf Platz zwei. Dafür ist die Angst, Opfer einer Straftat zu werden in ganz Deutschland auf 25 Prozent gesunken.

Deutsche fürchten vor allem steigende Lebenshaltungskosten

Die größte Sorge der Deutschen sind jedoch steigende Lebenshaltungskosten. Und das seit 1992 fast jedes Jahr. "Weil viele Lebensmittel teurer werden, ist die gefühlte Inflationsrate ungleich höher als die tatsächliche Inflationsrate von etwa zwei Prozent", analysiert Professor Manfred Schmidt. Der Politologe der Universität Heidelberg berät das R+V-Infocenter bei der Studie. Einen wohl noch größeren Anteil an der Furcht vor steigenden Lebenshaltungskosten dürften allerdings die vor allem in den Städten stark steigenden Mieten und Nebenkostenabrechnungen, als Heizkosten, sein. Schmidt sagt aber zudem: "Trotz Lohnerhöhungen haben viele Arbeitnehmer real weniger Geld zur Verfügung." Er begründet das mit steigenden Gebühren für öffentliche Leistungen, sowie Preiserhöhungen bei Benzin und Strom. Im Osten ist die Furcht vor steigenden Kosten des täglichen Lebens mit 67 Prozent deutlich höher als im Westen, wo 59 Prozent sie besonders fürchten.

Angst um die Ersparnisse und vor der Eurokrise

Die Nummer drei der deutschen Sorgen ist die davor, im Alter ein Pflegefall zu werden. Ein Drittel der befragten Frauen verfügt nicht über eine eigene Altersvorsorge, und kann sich Pflegebedürftigkeit einfach nicht leisten. Vor allem in Ostdeutschland verbindet sich mit dieser Angst auch noch die vor Einsamkeit im Alter. Was den Deutschen zudem Angst macht, ist weiterhin die Euro-Krise. 68 Prozent befürchten, dass die deutschen Steuerzahler am Ende für die Kosten der Eurokrise aufkommen müssen. 53 Prozent befürchten, dass die Eurokrise den Euro gefährden könnte. Und fast die Hälfte der Deutschen (49 Prozent) hat Angst, dass "niedrige Zinsen und Inflation seine Ersparnisse langfristig auffressen", heißt es in der Studie.

Die Optimisten leben in Berlin

Im Ländervergleich wohnen in Sachsen-Anhalt die ängstlichsten Deutschen. Diesen Spitzenplatz behauptet das "Land der Frühaufsteher" (Eigenwerbung von Sachsen-Anhalt) bereits seit Jahren. Dicht gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern. Die am wenigsten besorgten Deutschen leben in Berlin. Nur 33 Prozent der Hauptstadtbewohner fürchten sich sehr vor der Zukunft. Der Angstindex der Berliner sank im Vergleich zum Vorjahr um sieben Prozentpunkte. Allerdings machen sich die Berliner auch weiterhin - wohl zurecht - Sorgen um ihre wirtschaftliche Situation. An der Spitze der Berliner Ängste stehen mit 59 Prozent die steigenden Lebenshaltungskosten und mit 51 Prozent die schlechte Wirtschaftslage. Auf Platz drei der Berliner Ängste stehen mit 44 Prozent die zunehmenden Naturkatastrophen.

Die Brandenburger dagegen sind mit einem Angstindex von 44 Prozent die drittängstlichsten Deutschen. Auch sie fürchten vor allem steigenden Lebenshaltungskosten (70 Prozent), aber auch die zunehmenden Naturkatastrophen (64 Prozent) und eine Verschlechterung der Wirtschaftslage (64 Prozent) macht den Brandenburgern Angst. Die Debatte über die verockerte Spree dürfte die Furcht der Brandenburger vor "Naturkatastrophen" wohl noch angeheizt haben, auch wenn das keine ist, sondern klar auf den Braunkohlebergbau, also menschliches Handeln zurückzuführen ist. Aber sie ist ein Umweltproblem, und Umweltprobleme werden meist mit Naturkatastrophen verbunden. In Brandenburg befürchten übrigens mehr als Hälfte der Befragten (53 Prozent) im Alter zu vereinsamen. Aber nur 20 Prozent befurchten Opfer einer Straftat zu werden.

Dass die Nordrhein-Westfalen steigende Lebenshaltungskosten viel weniger fürchten als Bewohner anderer Bundesländer ist eine Überraschung. Lediglich 53 Prozent fürchten sich an Rhein und Ruhr davor, damit steht diese Angst gemeinsam mit der Furcht vor zunehmenden Naturkatastrophen auf Platz zwei der NRW-Ängste. Besondere Sorgen machen sich die Nordrhein-Westfalen, dass sie im Alter pflegebedürftig werden könnten (55 Prozent). Und in NRW fürchten sie sich auch mehr vor Terrorismus als in anderen Bundesländern. Genau die Hälfte der Befragten hat Angst vor Terroristen, diese Sorge stieg um 15 Prozentpunkte. Da mag das gescheiterte Kofferbombenattentat am Bonner Hauptbahnhof eine Rolle spielen. Die Sorge vor der Pflegebedürftigkeit ist übrigens in Rheinland-Pfalz und im Saarland noch größer als in NRW. Auch dort steht dieses Sorge mit 57 Prozent auf dem ersten Platz der Ängste-Rangliste.

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