zum Hauptinhalt

Panorama: Die bereinigte Wahrheit

Keiner kritisiert George W. Bush so elegant wie Stephen Colbert – und keiner ist so böse

Stephen Colbert hat eine Lieblingsfrage. Die stellt er den meisten seiner Interviewpartner – und gibt auch gleich zwei Antwortmöglichkeiten vor. „George W. Bush: großer Präsident oder der größte Präsident?“ Will jemand widersprechen, Bush gar kritisieren, kreuzt Colbert auf seinem Fragebogen „großer Präsident“ an. Weil das der Antwort am nächsten komme.

Der US-Komiker bringt Politiker zur Weißglut, Republikaner wie Demokraten. Aber am liebsten Republikaner. Seit knapp einem Jahr ist er Gastgeber der Satireshow „The Colbert Report“, geht vier Mal die Woche spät abends auf Sendung. Wie Colbert da in seinem Studio sitzt, im dunklen Anzug mit Krawatte und perfekt gescheiteltem Haar, könnte er glatt als seriöser Nachrichtensprecher durchgehen. Aber Colbert will Nachrichten nicht sprechen, er will sie deuten.

Der Mann ist eigentlich kein Freund von George W. Bush. Eher im Gegenteil. Doch er hat einen Weg gefunden, wie er den US-Präsidenten massiv kritisieren kann, ohne sich im Ton zu vergreifen – er spielt Bushs größten Verehrer. Seine Grundregel: Alles, was der Präsident sagt, macht oder plant, hat einen Sinn. Jede seiner Entscheidungen ist alternativlos. Und wer es wagt, Bush zu widersprechen, ist unpatriotisch, also kein guter Amerikaner. Dabei bleibt Colbert todernst. Er zieht finster die Augenbraue hoch, während er gegen Homoehe und Umweltaktivisten hetzt oder den Irakkrieg verteidigt. Das ist saukomisch, gerade weil seine Rechtfertigungen so lachhaft und absurd klingen.

Er spielt einen konservativen Kommentator. Bushs Außenpolitik nennt Colbert „einen Erfolg auf der ganzen Linie“. Auch die aktuelle Situation im Nachkriegsirak sei höchst lobenswert – schließlich arbeite, der Logik der freien Marktwirtschaft folgend, eine Regierung dann am besten, wenn sie möglichst wenig in das Geschehen eingreife: „So gesehen haben wir im Irak eine wunderbare Regierung installiert.“

Colberts Masche funktioniert. Wenn sich Comedians – besonders auch deutsche – über den US-Präsidenten lustig machen, wirkt das oft plump. Da bewegen sich die Witze zwischen „Bush ist ungebildet“ und „Bush ist doof“. Colbert geht eleganter vor – und ist dabei härter und viel bösartiger. Besonders gerne macht er die Religiosität des Präsidenten und der amerikanischen christlichen Rechten zum Thema: „Jeder hat das Recht auf seine eigene Religion, egal ob Hindu, Jude oder Moslem. Ich glaube, es gibt endlos viele Wege, Jesus Christus als persönlichen Retter zu akzeptieren.“

Einmal musste sich der Präsident die Satire aus nächster Nähe anhören. Beim diesjährigen Dinner des Pressekorps des Weißen Hauses saß Bush vorne auf dem Podium, während Colbert die Festrede hielt und den Präsidenten in den Himmel lobte. Er nahm ihn auch gegen Umfragen in Schutz, wonach dessen Beliebtheitswerte auf 32 Prozent gesunken waren. Die „Realität“ solle man einfach ignorieren, sagte er, die sei ja bekannt für ihre linksliberalen Tendenzen. Und dann beglückwünschte er Bush, weil der sich von Fakten nicht beeindrucken lasse: „Wenn der Präsident montags etwas beschließt, glaubt er noch am Mittwoch daran – ganz egal, was am Dienstag passiert ist.“ 20 Minuten ging das so. Nach der Rede stand Bush auf und gab dem Komiker die Hand. „Er war sehr nett“, berichtete Colbert später, „allerdings nur zu meiner Mutter.“

Auf charmante Art ist er auch anderen Politikern gegenüber unverschämt. Einem Befürworter kontrollierter Marihuana-Abgabe warf er im Interview vor, vermutlich unter Drogen zu stehen. Einem Zeppelin-Fan unterstellte er geistige Nähe zu den Nationalsozialisten. Schließlich hätten die auch Zeppeline gebaut: „Ich sage nicht, dass Sie ein Nazi sind. Sie teilen nur einige Ziele der Nazis.“ Weil Colbert dabei stets seriös und selbstsicher auftritt, wird er von seinen Gesprächspartnern ernst genommen. So überredete er den Kongressabgeordneten Robert Wexler, „nur zum Test“ Sätze wie „Ich mag Kokain, weil es Spaß macht“ auszusprechen. Das „Time Magazine“ zählt Stephen Colbert zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten des Jahres.

Die Rolle des erzkonservativen Journalisten mit Hang zur Meinungsmache hat Colbert nicht frei erfunden. Es gibt reale Vorbilder. Im US-Fernsehen haben sich eine Reihe regierungstreuer Moderatoren etabliert, die Gegenargumente von Interviewpartnern lautstark abtun, notfalls einfach „Shut up“ rufen. Das kennt man in Deutschland so noch nicht.

Leider kann man den „Colbert Report“ hierzulande bisher nur im Internet sehen. Das wird sich in einigen Monaten ändern: Dann startet Colberts Haussender „Comedy Central“ auch in Deutschland, auf den Frequenzen des alten „Viva plus“.

Die Höhepunkte aus Colberts Show:

www.comedycentral.com/shows/the_colbert_report/index.jhtml

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false