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Panorama: Die Gnade des Vergessens (Glosse)

Das Phänomen "Verdrängung" hat seit den Tagen von Sigmund Freud ein schlechtes Image. Warum eigentlich?

Das Phänomen "Verdrängung" hat seit den Tagen von Sigmund Freud ein schlechtes Image. Warum eigentlich? Bedeutet es nicht eher eine Gnade, wenn Menschen vergessen, was sie als unangenehm empfinden? Diese Frage stellt der gesunde Menschenverstand sich gelegentlich, nun haben sich auch Psychologen mit ihr auseinander gesetzt. Ergebnis: Die intensive psychologische Betreuung von Katastrophenopfern schade diesen mehr, als sie nütze. Sitzungen, bei denen die Patienten ihr Erlebnis wieder und wieder in allen Einzelheiten nacherzählen, könnten ein zweites Trauma bewirken, womöglich ein schlimmeres als die Katastrophe selbst. Bei einer Konferenz der Britischen Psychologischen Gesellschaft wurde deshalb gefordert, diese Form von Gesprächstherapie vorläufig einzustellen. Tatsächlich scheint es dem Seelenhaushalt besser zu bekommen, wenn wir ein schreckliches Erlebnis möglichst rasch vergessen, statt es in mühsamen Gesprächen zu "verarbeiten". Die Psychologen verdienen Respekt - wann stellt schon einmal ein Berufsstand den Sinn seines eigenen Tuns so radikal in Frage? Die Sensiblen unter uns aber müssen wohl einen neuen Satz einüben: Schlecht, dass wir drüber geredet haben.

mrt

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