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Panorama: Die Rätsel der Königin

Die frühere niederländische Monarchin Juliana starb an Lungenentzündung. Sie war eine Pazifistin – und verstörte gelegentlich ihre Umwelt

Von Klaus Bachmann,

Amsterdam

Sie war eine ganz unmajestätische Monarchin, die den Niederländern auch manches Rätsel aufgab. Viele Niederländer kennen die Bilder noch: Königin Juliana, wie sie im Winter 1953 aus einem Armeehelikopter steigt, die Füße in Gummistiefeln, durch das Wasser stapft und mit Opfern der großen Sturmflut spricht, deren Besitz innerhalb weniger Tage weggespült wurde. Königin Juliana, wie sie Bekannten in aller Öffentlichkeit einen Kuss auf die Wange drückt, Königin Juliana, wie sie Witze über sich selbst macht, Königin Juliana, wie sie unprätentiös durch die Trümmer stapft, die der Absturz einer israelischen Verkehrsmaschine 1992 im Süden Amsterdams in ein überwiegend von Immigranten bewohntes Hochhausviertel gerissen hat. Solche Szenen haben viel zu dem Mythos von der „Landesmutter Juliana“ beigetragen, den nun auch Premierminister Balkenende in seiner Ansprache zum Tod Julianas beschwor.

Denn am Samstag um 5 Uhr 30 starb sie nach offiziellen Angaben im Kreis ihrer Familie im Palast Soestdijk bei Utrecht an einer Lungenentzündung. Königin Juliana, die 1980 abdankte, ist 94 Jahre alt geworden.

Schatten der Mutter

Aufgewachsen im Schatten ihrer willensstarken, durchsetzungsfähigen Mutter Wilhelmina, heiratete sie 1937 den unbekannten deutschen Bernhard zur Lippe-Biesterfeld. Als die Niederlande dann von Deutschland besetzt wurden, gingen ihre Mutter und Bernhard ins Londoner Exil, Juliana dagegen fuhr ins entferntere und sichere Kanada. 1948 dankte Wilhelmina ab, und Juliana, die ein halbes Jahr die Regentschaft innegehabt hatte, konnte offiziell den Thron besteigen. Von Anfang an versuchte sie, ihre eigenen Vorstellungen durchzusetzen. 1948, als die Niederlande um den Erhalt ihrer Kolonien gegen die indonesischen Unabhängigkeitsbestrebungen in den Krieg gezogen waren, erklärte sie in ihrer Weihnachtsbotschaft: „Unsere Gedanken richten sich auch an diejenigen, die auf der anderen Seite stehen. Unsere reinsten Wünsche sind für alle gedacht.“ Vier Jahre später hielt sie in den USA – inmitten der antikommunistischen Kreuzzugsstimmung der McCarthy-Ära – eine pazifistisch getönte Rede über „Weltfrieden“ und „friedliche Koexistenz.“ Sie weigerte sich später auch, die Todesurteile für mehrere berüchtigte Nazis zu unterzeichnen, und ließ die Urteile in „lebenslänglich“ umwandeln.

Juliana war eine Königin zum Anfassen, aber sie gab ihrer Umwelt auch jede Menge Rätsel auf. Ihre vierte Tochter, Marijke, die sich später Christina nannte, wurde blind geboren. Prinz Bernhard ließ eine Wunderheilerin in den Palast einziehen, die sich dort immer mehr breit machte, Juliana auch politisch zu beeinflussen begann und Haus und Familie in zwei verfeindete Lager spaltete. Schließlich versuchte Bernhard sogar, Juliana entmündigen und in eine psychiatrische Anstalt einliefern zu lassen. In aller Heimlichkeit stellte die Regierung eine Untersuchungskommission zusammen und erzwang schließlich den Auszug der Wunderheilerin und der sie unterstützenden Hofangestellten. Der Bericht der Kommission ist bis heute geheim, obwohl Bernhard selbst seine Veröffentlichung gefordert hat.

Trotz der vielen Affären, die Bernhard nachgesagt werden, hielt die Ehe.

Sie schützte den untreuen Mann

Juliana scheint großen Wert auf den Zusammenhalt der Familie gelegt zu haben. Als ihr Mann in den siebziger Jahren in den Korruptionsskandal um die amerikanische Flugzeugfirma Lockheed verstrickt wurde und seine militärischen Titel verlor, verhinderte sie eine Anklage gegen ihn mit der Drohung, in diesem Fall zurückzutreten. Groß war die Empörung auch, als Juliana bei der römisch-katholischen Heirat ihres Enkels Maurits 1998 am Abendmahl teilnahm. Als sie bei sich selbst die ersten Zeichen von geistiger Verwirrung feststellte, dankte sie zu ihrem 71. Geburtstag zugunsten von Beatrix ab. Mit Pracht und Prunk hat sie nie etwas anfangen können. Wäre sie nicht als Thronfolgerin geboren worden, wäre sie wohl Sozialarbeiterin geworden, sagte sie einmal. Und: „Ich halte nichts vom Protokoll, das ist mein natürlicher Feind.“

Klaus Bachmann[Amsterdam]

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