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Panorama: Die Seestern-Detektive

Ein Schulschiff soll thailändischen Kindern die Furcht vor dem Meer nehmen – finanziert wurde es mit deutschen Spendengeldern

Der ganze Strand schmatzt und krabbelt. Einsiedlerkrebse werfen auf der Flucht vor dem zurückgehenden Wasser kleine Hügel auf oder greifen sich leere Muschelschalen als neue Behausung. Sie wuseln durchs Seegras, vorbei an leuchtenden, stachelbewehrten Seesternen und scharfkantigen Schwertmuscheln. Wenn sich das Wasser zwischen den Inseln vor Krabi in Südthailand zurückzieht, gibt es allerlei Leben frei, das sich sonst in der Tiefe vor neugierigen Blicken verbirgt.

All die Pflanzen und Tiere sind wichtig für das Überleben der Menschen an Land – weil sie Nahrung bieten, weil die Schnecken, Muscheln und Kleinfische größere Meeresbewohner anziehen. Dafür ist auch Seegras in Strandnähe wichtig – und ähnlich wie im deutschen Wattenmeer ist es auch hier in den Tropen in Gefahr. Die Menschen beschädigen das Gras mit großen Rechen, um eine Delikatesse zu ernten, die an den Halmen des Grases sitzt: kleine Schnecken. Die Fischer könnten sie auch von den Halmen sammeln, aber das ist mühsamer. Doch wenn kein Seegras mehr wächst, fehlt ein Schutzraum für die Natur.

Die meisten Kinder wissen das nicht. Aber sie interessieren sich für das, was mit ihrer Umwelt passiert. Nach der Riesenwelle, dem Tsunami, bei dem Weihnachten vor zwei Jahren an den Küsten Thailands tausende Menschen ums Leben kamen, hatten viele Kinder Angst vor dem Wasser. Mitarbeiter der thailändischen Hilfsorganisation Pattanarak und der Deutschen Welthungerhilfe wollten ihnen helfen, damit sie sich vorsichtig wieder ans Wasser gewöhnen können. Mit Geldern, die Deutsche nach der Katastrophe gespendet hatten, kauften sie ein altes Ausflugsboot: die „Do Yong“, benannt nach den vom Aussterben bedrohten Seekühen. Das Schiff wurde in den bunten Farben der Unterwasserwelt gestrichen. Im ersten Jahr lud man fast 9000 Schüler von der schwer betroffenen Andamanenküste ein. Heute sind zwölf- bis 14-jährige Kinder an Bord, die ihren Klassenkameraden später berichten werden, wie sie etwas für ihre Umwelt tun können. Als kleine Umweltdetektive. In einem Raum mit Fernsehern und angeschlossenen Mikroskopen lernen sie, dass Seegras nicht gleich Seegras ist. Zwölf Arten gibt es. „Nicht einschlafen, jetzt geht es erst los“, mahnt die Lehrerin Soa, bevor sie ihre Jeans gegen eine Bermuda tauscht. Denn nun geht es ab ins Wasser. Vorher bekommt jede Gruppe noch ein Klemmbrett mit einem bunten Kuli und zwei Plastikdosen. Dann werden die Trainingshosen hochgekrempelt, und auf geht es ins seichte Uferwasser.

Wenig später landet der erste Seestern an Bord, ocker mit schwarzen Punkten. Der nächste ist rot und hat kräftige schwarze Stacheln, fast wie Haifischzähne. Selbst der aufgeplusterte grüne Fisch mit den hellblauen Punkten auf dem Rücken hat oben wie unten eine harte Schale. Sieht aus, als müssten sich die Tiere hier gegen viele Feinde wappnen. Auf dem Rückweg zum Boot wird noch rasch ein Krebs gerettet, der in einem zurückgebliebenen Fischernetz zappelt.

Nächstes Jahr wollen die Kinder wieder auf die „Do Yong“ kommen. Dann wollen sie die Korallen sehen, sagt die zwölfjährige Da, die ihr viel zu großes Basecap tief in der Stirn trägt. Viele Korallen sind vom Tsunami zerstört worden. Zunächst aber sollen Bao, Bao, Bao und Bao (viele Kinder hier haben die gleichen Namen) als Botschafter ihre Klassenkameraden anstiften, sich mit ihnen für die Umwelt einzusetzen.

Lehrerin Soa, deren Hose noch ein bisschen nass ist, ist noch nicht ganz mit den Kindern zufrieden. „Ein guter Anfang“ sei das gewesen, findet sie. Doch ein Tag macht noch keinen Umweltschützer. Und wie zur Bestätigung werfen Kinderhände in diesem Moment drei Plastiktüten vom Pier ins Wasser.

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