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Panorama: Die Versuchung ist billig

Mit gigantischem Werbeaufwand stärken die Konzerne große Marken wie Milka, Nivea oder Persil. Ihr Feind sind die namenlosen Konkurrenten im Discounter

Als Erzieherinnen mit Entsetzen feststellen mussten, dass ihre Kinder beim Anblick einer Kuh entzückt ausriefen: „Guck mal, da ist Milka!“, da wussten die Milka-Manager, dass sie es geschafft hatten. Mit Hilfe der lila Kuh (Foto: Promo) hatten sie ihre Milka-Schokolade zu einem Star unter den Marken gemacht.

Den Marketing-Profis war es gelungen, um ihre Marke herum eine Kunstwelt aufzubauen – eine Welt, die nur in den Köpfen der Käufer existiert. Feste Bestandteile: ein friedliches Alpen-Idyll, saftiges Gras und fröhliche lila Kühe. Und weil das alles so gut zusammenpasst, wurde aus einer gewöhnlichen Tafel Schokolade „die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt“.

Große Marken sind das wichtigste Kapital von Konsumgüterkonzernen wie Kraft Foods (Milka, Philadelphia), Unilever Bestfoods (Langnese, Knorr, Rama), Procter & Gamble (Pampers, Punica, Pringles) oder Nestlé (Maggi, Buitoni). Nach einer Studie der Unternehmensberatung Price Waterhouse Coopers machen die Marken großer Konzerne durchschnittlich 58 Prozent des Unternehmenswertes aus. Allein Nivea, die Spitzenmarke von Beiersdorf, soll neun Milliarden Euro wert sein. Doch die Marken geraten immer stärker unter Wettbewerbsdruck. Der Grund: Wegen der hohen Arbeitslosigkeit und der Teuro-Diskussion kaufen immer mehr Deutsche statt im Supermarkt bei Billigdiscountern wie Aldi, Lidl oder Plus ein. Ihr Anteil am Einzelhandelsumsatz liegt inzwischen bei knapp 40 Prozent.

Mit Lätta ins Bett geschickt

Die Discounter sind deshalb so günstig, weil sie statt der teuren Markenprodukte viele preisgünstige Handelsmarken wie A&P, Ja! oder Tip anbieten. Sie sind in Aufmachung und Geschmack dem Original oft sehr ähnlich, im Preis aber deutlich billiger. Allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres stieg der Anteil der so genannten Handelsmarken an den Gesamtverkäufen nach Auskunft der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) von 25,7 auf 29,3 Prozent.

Die Markenhersteller rüsten zum Gegenangriff. Ihre schwächsten Sprösslinge schmeißen sie aus dem Sortiment, um die Werbeetats stärker auf die vielversprechendsten Kinder konzentrieren zu können. Schon für die Etablierung einer nationalen Marke geben die Hersteller durchschnittlich zwischen 20 und 50 Millionen Euro aus, hat die Unternehmensberatung KPMG berechnet. Die kontinuierliche Pflege einer Marke lassen sich Konzerne zwischen zehn und 15 Prozent des Umsatzes kosten.

Wie ernst die Markenartikel-Hersteller die Konkurrenz der Discounter nehmen, zeigt die jüngste Werbeoffensive von Unilever Bestfoods. In TV- und Kinospots werben die Hamburger mit Millionen Euro Aufwand für über 30 Produkte. Zum Auftakt hat Unilever eine junge attraktive Frau mit zwei Männern und der Halbfett-Margarine „Lätta“ ins Bett geschickt. Das soll auch den Handelskonzernen Appetit machen, die Margarine prominenter im Regal zu platzieren. Andere Konzerne wie der Zigarettenhersteller Philip Morris oder Kraft setzten auf große Events. So schickt Philip Morris („Marlboro“) junge Erwachsene zum Sommer-Jobben ins Ausland, um ihnen das Gefühl von Freiheit und Abenteuer zu vermitteln, für das ihre Zigarette stehen soll. Die Milka-Macher lassen inzwischen Ski-Idol Martin Schmitt im engen lila Anzug von der Schanze springen. „Das Werbeverhalten hat sich über die Jahre verändert“, sagt eine Kraft-Sprecherin. „Der Konsument liebt die Abwechslung.“

Auch das ist ein Grund, warum Unternehmen wie Kraft Variationen ihrer Markenprodukte immer öfter in limitierter Auflage auf den Markt bringen. So gibt es im Sommer die Schokolade „Schokus-Pokus“ (Erdbeer und Pfefferminz), im Herbst Milka, die nach gebrannter Mandel schmeckt, und zu Weihnachten zimtige Weihnachtsschokolade. Ständige Variationen sind wichtig, schließlich soll der Kunde sich nicht gelangweilt abwenden. „Marken müssen sich im Kern treu bleiben, aber trotzdem dem Zeitgeist angepasst werden“, sagt Wolfgang Twardawa, Handels-Experte der Nürnberger GfK.

Pampers dürfen bleiben

Auch Procter & Gamble hat die Werbeaufwendungen angesichts der starken Konkurrenz der Handelsmarken nach Aussagen einer Sprecherin „im zweistelligen Prozentbereich“ erhöht. Doch auch die Amerikaner wissen, dass nur wenige Marken das Zeug haben, ganz groß zu werden: Nur zwölf der 300 Marken spülen ihnen jeweils mehr als eine Milliarde Dollar Umsatz in die Kassen. Auch sie konzentrieren sich auf die Stars, die das Potenzial zur globalen Marke haben – Marken wie Pampers, das Waschmittel Ariel oder die Kartoffelchips Pringles. Auch der Konkurrent Unilever hat von den ursprünglich 1600 Marken nur 400 behalten, die dafür umso liebevoller gepflegt werden.

Konsumforscher halten das für den richtigen Weg. „Starke Marken können auch in schwierigen Zeiten ihre Position behaupten“, sagt GfK–Experte Twardawa. Das sieht man bei Deutschlands größtem Handelskonzern Metro (Real, Extra) ähnlich. In den Märkten ist der Anteil der preisgünstigen Handelsmarken inzwischen auf knapp 15 Prozent gestiegen, bei einzelnen Produktgruppen wie Fruchtsaft sogar auf mehr als die Hälfte. „Der Anteil der Eigenmarken“, sagte ein Konzernsprecher, „wird weiter steigen.“ Und dennoch: „Daneben werden auch starke Marken immer einen Platz im Regal haben.“ Gegen Originale wie Nutella oder Nivea, sagt der Sprecher, hätten Billigkopien keine Chance.

Die Konsumforscher wissen auch, woran das liegt. „Die Marke ist für den Verbraucher eine Art Police, mit der er sich gegen ein Risiko abschirmen kann“, sagt GfK-Experte Twardawa. Produktsicherheit, Verlässlichkeit und gleichbleibende Qualität, sagt er, seien die wichtigsten Botschaften, die große Markenhersteller ihren Kunden vermitteln könnte. Notfalls auch mit Hilfe von ein paar Bergen und einer lila Kuh.

Maren Peters

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