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Panorama: Die Zeit läuft ab

Heute soll der kalifornische Todeskandidat Stanley „Tookie“ Williams hingerichtet werden – Schwarzenegger lehnt Begnadigung ab

Die Todesstrafe trennt Amerikaner und Europäer. Im Fall Stanley „Tookie“ Williams, der heute in Kalifornien mit einer Giftspritze hingerichtet werden soll, gilt das besonders. Er ist ein Paradebeispiel für einen weiteren Gegensatz. Europäer stellen die Rehabilitation eines Täters in den Vordergrund, Amerikaner bei Kapitalverbrechen die Sühne. Das oberste Gericht Kaliforniens hatte einen Aufschub der Exekution am Wochenende abgelehnt. Williams Anwälte haben ein Bundesappellationsgericht angerufen, das noch am Montag entscheiden sollte. Gouverneur Arnold Schwarzenegger lehnte das Gnadengesuch ab, wie sein Büro am Montag mitteilte. Schreitet nicht noch in letzter Minute ein Bundesgericht ein, wird Williams im San-Quentin-Gefängnis bei San Francisco hingerichtet. Die Hinrichtung ist am Dienstag für 0 Uhr 1 Ortszeit angesetzt, das ist 9 Uhr 1 mitteleuropäischer Zeit.

Tookie Williams war der Gründer der brutalen Streetgang Crisps. Bei Raubüberfällen in Los Angeles soll er 1979 vier Menschen getötet haben, 1981 wurde er zum Tode verurteilt. Seit 24 Jahren wartet er auf seine Hinrichtung. In der Haft wandelte sich Williams zu einem Gegner der Gewalt- und Jugendbandenkultur. Mit seinen Büchern und Aufrufen bewahrte er nach Meinung seiner Anhänger viele Jugendliche vor der schiefen Bahn. Seine Bewunderer haben ihn für den Friedensnobelpreis nominiert. Halb Hollywood und andere Prominente fordern seine Begnadigung, darunter die Schauspieler Jamie Foxx, Dannie Glover, Anjelica Houston und Tim Robbins, Winnie Mandela und Bischof Desmond Tutu aus Südafrika, Bianca Jagger und der schwarze Pastor Jesse Jackson.

Kalifornien gilt zwar in vielem als progressiv, zum Beispiel beim Umweltschutz, und ist bei Präsidentenwahlen ein Heimspiel für die Demokraten. Zwei Drittel der Bürger sind jedoch für die Todesstrafe. Seit ihrer Wiedereinführung 1976 ist noch kein Todeskandidat in Kalifornien begnadigt worden. Zuletzt hatte der damalige Gouverneur Ronald Reagan 1967 von dem Recht Gebrauch gemacht, damals ging es um einen geistig Behinderten. Die meisten Amerikaner akzeptieren den Sühnegedanken: Wer Leben nimmt, der muss mit dem eigenen bezahlen. Verbreitet ist auch diese Auffassung: Gouverneure sollen ihr Begnadigungsrecht sparsam einsetzen, am besten nur dann, wenn es ernste Zweifel an der Schuld des Todeskandidaten gibt oder schwere Mängel im Prozess bekannt werden. Es ist nicht gedacht als Instrument zur Korrektur ordentlicher Gerichte. Die Todesstrafe darf in Amerika nicht von einem Einzelrichter verhängt werden und auch nicht sofort im Mordprozess, sondern erst nach dem Schuldspruch in einem abgetrennten, zweiten Verfahren und in den meisten Staaten nur einstimmig von einer Geschworenenjury. Schwarzenegger hat in seiner kurzen Amtszeit seit 2003 bereits zwei Gnadengesuche abgelehnt. In US-Gefängnissen sitzen mehr als 3400 Todeskandidaten.

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