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Drama von Aosta endet glimpflich: Paar aufgespürt

© dpa

Drama in Italien: Ausgesetzte Kinder - die Fürsorge hilft

Noch ist unklar, ob die Mutter mit ihren in Italien ausgesetzten Kindern wieder zusammengeführt wird. Erst einmal sind sie in der Obhut des Jugendamtes.

Mit Hubschraubern und Hundestaffeln hatte die Polizei im Aosta-Tal seit Sonntag nach dem deutschen Paar gesucht. Am Donnerstagnachmittag schließlich führte der Hinweis einer Einheimischen zum Ziel: Die 26jährige Ina R., leibliche Mutter der drei Kinder, und ihr 24-jähriger Lebensgefährte Sascha S., ein untergetauchter Strafgefangener aus dem offenen Vollzug, hatten sich nur zehn Kilometer von Aosta entfernt und die Nächte in Waldhütten oder Autos verbracht. Sie seien „fast erleichtert“ über ihre Entdeckung gewesen, sagte Polizeichef Salvatore Aprile.

Angesichts der „finanziellen Schwierigkeiten“, von denen das Paar im eigenen Tagebuch sprach, hatte die Polizei zunächst einen gemeinsamen Selbstmord befürchtet. Der Polizei bestätigten die beiden, sie hätten „keinen Cent“ und zuletzt „sogar ein Handy verkauft, um überhaupt essen zu können“. Um die Kinder, sagte Polizeichef Aprile, sei Ina R. am Donnerstag „nicht sehr besorgt“ gewesen. „Sie vermutete, die drei in einer Situation zurückgelassen zu haben, wo sich jemand leicht ihrer annehmen konnte.“ Sie verteidigte das Zurücklassen der Kinder als die „beste Lösung“. „Die Kinder haben schon angefangen zu weinen, weil sie Hunger hatten“, habe die 26-Jährige berichtet.

Ina R., Sascha S. und die Kinder im Alter zwischen acht Monaten und sechs Jahren waren am Samstag ohne Geld und Gepäck in einem Hotel in Aosta angekommen. Am Sonntagabend dann, nach einem gemeinsamen Pizza- und Spaghetti-Essen, ließen die Erwachsenen die Kinder in der Pizzeria zurück und verschwanden.

Im Lokal machten die Kinder – zwei Jungen und ein Mädchen – einen sehr ruhigen Eindruck. Sie hätten „fast schon allzu gut erzogen“ gewirkt, sagte die Frau des Besitzers, Carmela Gevroz, einer italienischen Zeitung. Zunächst wurden die drei in einer sozialen Wohngemeinschaft der Stadt Aosta untergebracht, wo sie laut einer Reporterin „wohlauf und vielleicht so glücklich wie nie zuvor“ spielen; mangels italienischer Sprachkenntnisse machten sie sich mit Händen und Füßen verständlich. Inzwischen befinden sich die Kinder in der Obhut des Jugendamtes des Kreises Olpe im Sauerland.

Das Jugendamt Olpe, dem die Vormundschaft übertragen wurde, will die Kinder im Sauerland zunächst „an einem sicheren Ort“ unterbringen, sagte der Olper Kreissprecher Hans-Werner Voß der Deutschen Presseagentur dpa. Ob die Kinder später zu den Großeltern oder zurück zur Mutter kommen, sei noch nicht geklärt. „Schön wäre es sicher, wenn wieder eitel Sonnenschein einkehrt.“ „Es gibt viele schlimmere Fälle von Verwahrlosung“, sagte Voß. Immerhin seien die Kinder in einem Lokal in der Stadt und nicht wild an einer Straße ausgesetzt worden. „Das ist ja auch schon eine Art Fürsorge.“ Man werde sicherlich alles tun, dass die Kinder, aber auch die Mutter die Ereignisse verarbeiten können. Dann müssten Fachleute entscheiden, was das Beste für die Kinder sei. Die Mutter wurde von der Polizei nach der Vernehmung freigelassen.

Bevor die Kinder und ihre Mutter wieder vereint sind, sollen die Kleinen in ihrer Heimat erst einmal zur Ruhe kommen. Eine Rückreise zusammen mit der Mutter oder den nach Italien gereisten Großeltern war nicht vorgesehen. Zunächst müssten seine Kollegen mit den Kindern erst einmal warm werden, hatte Voß vor der Rückreise nach Deutschland gesagt.

Der Begleiter der Mutter bleibt zunächst in Händen der italienischen Justiz, weil die Staatsanwaltschaft in Siegen die Auslieferung beantragt hat. Der Mann muss wegen schwerer räuberischer Erpressung noch zwei Strafen bis Mitte 2011 verbüßen. Der 24-Jährige soll nach seiner Auslieferung zunächst zurück in die Haftanstalt nach Bielefeld kommen. „Er wird dann aber sicher in den geschlossenen Vollzug verlegt“, sagte der stellvertretende Leiter des JVA, Friedhelm Sanker, der dpa. Für die Flucht werde er nicht bestraft. „Der Drang nach Freiheit ist der stärkste Drang“, sagte Sanker. Allerdings habe er vermutlich die vorzeitige Entlassung im kommenden August verspielt.

Gegen die Mutter wird in Deutschland ermittelt. Sie könne sich nach ihrer Rückkehr zu den Vorwürfen äußern, sagte der Siegener Oberstaatsanwalt Johannes Daheim. Sollte die Frau später in Italien wegen „Aussetzung Minderjähriger“ angeklagt und verurteilt werden, müsse geprüft werden, ob die deutschen Behörden weiter ermitteln, sagte Daheim.

Das Paar hatte sich kennengelernt, weil sich der 24-Jährige mit dem ebenfalls inhaftierten Ehemann der 26-Jährigen angefreundet hatte. Nachdem die Frau die Anstaltsleitung über ihre Beziehung zum Mithäftling ihres Mannes informiert hatte, wurde der Ehemann verlegt. Der Mann hatte 2006 ein viertes Kind so sehr geschüttelt, dass der Säugling starb. Er sitzt eine Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten wegen Körperverletzung mit Todesfolge ab. Nach Auskunft des Attendorner Gefängnisleiters nahm er das Drama um seine Kinder gefasst auf.

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