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Anis Mohamed Youssef Ferchichi, genannt Bushido.

© dpa

Ein Blick in die Parallelwelt: Bushido will mit seinem Buch zur Integration beitragen

Anis Mohamed Youssef Ferchichi, genannt Bushido, hat sein zweites Buch geschrieben: "Auch wir sind Deutschland", lautet der Titel. Es schwankt zwischen Selbstkritik und Rechtfertigung.

„Dieses Buch“, schreibt Bushido, „ist ein Gesprächsangebot.“ Dass der erfolgreiche Rapper die Notwendigkeit sieht, spricht für ihn, und vermutlich ist er selbst durchaus der Ansicht, dass sein neues Buch „Auch wir sind Deutschland“ ein Beitrag zur Integration sei. Ob es diesen Anspruch allerdings erfüllen kann, liegt wohl im Auge des Lesers – Pöbeleien, pubertäre Kraftmeierei, banale Lebensweisheiten, Rechtfertigungsversuche und, ja, kluge, auch selbstkritische Erkenntnisse sind über die 260 Seiten so dicht gestreut wie über die Songs des 34-Jährigen, der das Buch unter seinem echten Namen Anis Mohamed Youssef Ferchichi veröffentlicht. (Riva, 19,99 €)

Bushido: "Mit uns fickt keiner"

Immerhin: Bushido lässt nichts aus. Mit dem heikelsten Thema, dem Bambi für Integration 2011, steigt er ein, meint offensichtlich, diesen Preis verdient zu haben: Doch er umnebelt diese Auffassung – wie oft in diesem Buch – mit einer Flut von Relativierungen. „Habe ich nicht das Einzige geschafft, was diese Welt versteht und was noch immer das Integrationsmedium Nummer eins ist: Ich bin zu Geld gekommen?“ steht da, dann folgt die Einschränkung: „Folgt man irgendeiner anderen Logik, einer Sozialarbeiterlogik, einer menschlicheren Logik, einer bildungsbürgerlicheren Logik, dann mag die Kritik zu Recht geäußert werden.“

Seine Meinung zu Schwulen darf auch in seinem Buch nicht fehlen

Aha? Nein, doch nicht: „Aber solange es in dieser Gesellschaft um Geld, Macht und Einfluss geht – seid doch einfach still.“ Durch das ganze Buch zieht sich dieses Argumentationsmuster wie abgepaust: Ja, ich habe Mist gebaut, ja, die Kumpels benehmen sich manchmal wie Vollidioten und hauen euch aufs Maul, ich versteh’s ja auch nicht – aber ihr anderen seid ja noch viel schlimmer, weil eure Gesellschaft, eure Polizei … Und so wird aus dem Gesprächsangebot eine viel zu lange, stereotype Rechtfertigungssuada.

Bushidos Mutter war eine Deutsche aus Würzburg, sein Vater ein tunesischer Botschaftssekretär. Viel ist wohl nicht glattgelaufen in dieser Ehe, erst wurde die Mutter von ihrer Familie verstoßen, dann entwickelte sich der Vater zum gewalttätigen Tyrannen. Scheidung, wieder Ehe mit einem Türken, übereilt, weil draußen schon die Ausländerpolizei stand. Das Leben in der Hobrechtstraße mit Kumpel Mehmet ging so: „... an einem Haus vorbei, in dem arabische Mädchen lebten, die total scheiße waren … Hat man sich mit denen angelegt, kamen alle Schwestern, Brüder, Cousins, und man hat Schläge bekommen. Waren wir dann endlich bei Mehmet, haben dessen Brüder weitergemacht.“

Bushido schimpft auf die Gesellschaft und die Polizei

„Fremd im eigenen Land“ heißt das Startkapitel, man versteht, welche Steine so einem im Weg liegen. Wer sich da durchschlägt, der entwickelt jene Attitüde, die Bushido mit der ihm eigenen Prägnanz beschreibt: „Mit uns fickt keiner.“ Diese Aura der Gewalttätigkeit jagt denen, die nicht aus dem Milieu kommen, Angst ein, jene Art Angst, die gern zum „Respekt“ stilisiert wird. Der Autor findet das falsch, fordert Zivilcourage und einen konsequenten Staat, aber: „An beidem fehlt es nach meiner Erfahrung.“

Das Buch öffnet den Blick in verschlossene Kreise

Naturgemäß erscheint der Staat solchen Milieus meist in Gestalt der Polizei, die in diesem Buch eine finstere Rolle spielt. Ein LKA-Beamter soll sogar Bushidos Frau telefonisch vor der Ehe mit ihm gewarnt haben. Ein übler Haufen, diese Polizisten, „... einige aus meinem Umfeld behaupten, dass die Bullen selbst die größte Mafiaorganisation seien“. Andere Quellen? „Aus gut informierten Kreisen heißt es ...“ So schreibt man Selbstjustiz zur Notwehr hoch. Die Obrigkeit soll konsequenter gegen Kriminalität einschreiten, aber sich auch nicht so bürokratisch anstellen – immer, wie es gerade passt.

Die Passagen, in denen es um Israel und die Juden geht, lohnen in ihrer Plattheit nicht, interessanter wird es beim Thema Homosexualität: „Wenn wir einen Sohn bekommen würden, und der würde schwul werden. Das wäre uns beiden höchst unangenehm, und auch meine Frau hat Angst davor.“ Erstens, sagt Bushido, dächten doch fast alle Eltern so, und zweitens, wie könne man gegen religiöse Vorschriften argumentieren, wenn einem die Religion etwas bedeute? Immerhin nennt er die Doppelmoral vieler muslimischer Jungen, die sich selbst an keine Regel halten, aber die angebliche Ehre der Schwester notfalls gewaltsam verteidigen, klar „unfassbar“.

Das Buch hat aber auch echte Qualitäten: Es öffnet den Blick in jene verschlossenen Kreise, die wir gern Parallelwelten nennen und zeichnet klarsichtig Muster von Reiz und Reaktion nach. Er wolle helfen, schreibt Bushido, ruft „Lernt verdammt noch mal Deutsch!“ Dann malt er ein kleines utopisches Bild – und wechselt erneut die Richtung: „In der Realität gehe ich jetzt aber ein paar Gewichte stemmen und dann ins Studio, ein oder zwei Bushido-Pöbel-Tracks aufnehmen ...“ Die sind dann sicher nicht als Gesprächsangebot zu verstehen.

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