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Enthüllungs-Plattform: Wikileaks-Video: Assange dokumentiert seinen Hausarrest

Mit einer kleinen PR-Offensive meldet sich Wikileaks-Gründer Julian Assange in der Öffentlichkeit zurück. Ein Video dokumentiert sein Leben unter Hausarrest und bietet Fans eine besondere Form des Tête-a-Tête.

Vier Tage, 55 Stunden und 39 Minuten vor Ablauf der Bieterfrist auf Ebay stand am Donnerstagmittag der Preis für ein exklusives Mittagessen mit Wikileaks-Gründer Julian Assange bei 4 100 englischen Pfund. 29 Gebote waren seit Beginn der Aktion am Mittwochabend schon eingegangen. Zu erstehen ist ein Lunch am Samstag, den 2. Juli „in einem der besten Restaurants Londons“. Acht Plätze sind zu vergeben und neben Assange soll auch der slowenische Philosoph Slavoj Zizek zugegen sein. Das Essen wird im Netz live übertragen – in das Londoner Journalisten-Lokal „Frontline Club“. Und, klar, der komplette Erlös werde zur Unterstützung von Wikileaks verwendet. Ob wirklich Wikileaks dahinter steckt, weiß man nicht genau. Aber distanziert hat sich die Enthüllungsplattform von der Versteigerung bisher jedenfalls nicht.
Mit seiner feilgebotenen Gesellschaft meldet sich der Australier nach einem halben Jahr unter Hausarrest in der Öffentlichkeit zurück. Der Kopf hinter jener Plattform, die im vergangenen Jahr mit der Veröffentlichung der Diplomaten-Depeschen und zuletzt mit Enthüllungen über das Terrornetzwerk Al Qaida und das Gefangenenlager Guantanamo für Aufregung gesorgt hatte. Seither gilt Assange in den USA als Staatsfeind. In England wartet er derzeit auf eine richterliche Entscheidung. Seit Monaten dringt die schwedische Justiz auf eine Auslieferung von Julian Assange, gegen den dort wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung und sexueller Nötigung ermittelt wird. Nachdem ein britisches Gericht dem Auslieferungsgesuch stattgegeben hat, läuft jetzt die Berufung. Am 12. Juli steht in London die nächste Anhörung dazu an.

In der Zwischenzeit sitzt Assange in Ellingham Hall etwa eine Stunde Fahrt von London entfernt, auf dem Landsitz seines Freundes, Vaughan Smith, Besitzer des „Frontline Club“. Nach exakt dem halben Jahr Hausarrest in Ellingham Hall hat die Wikileaks-Truppe am Donnerstag ein Video veröffentlicht, in dem zu sehen ist, wie Assange mit seiner elektronischen Fußfessel im Süden Englands lebt. Und der Film wirkt wie ein PR-Trailor: „191 Tage ohne Anklage“ ist als erste Einblendung in weißer Schreibmaschinenschrift auf schwarzem Grund zu sehen. Man beobachtet Assange bei seinem täglichen Gang auf das örtliche Polizeirevier. Er klingelt, bekommt eine Liste, in der er sich brav einträgt – jeden Tag. Mal kommt er im schwarzen T-Shirt, mal légèr im weißen Hemd, aber mit Gummistiefeln. Anschließend sieht man ihn in seiner Unterkunft beim Versuch seine dunklen Socken über die Fußfessel zu ziehen. Britische Polizeibeamte aktualisieren die Fessel, mit der jeder Schritt von Assange dokumentiert und überwacht wird. Wirklich begeistert sind aber nicht alle Polizisten von den Kameras, die das Leben Assange dokumentieren. Ein gefundenes Fressen für Assange: Ausgerechnet, die, die ihn überwachen sollen, wollen selbst nicht überwacht werden. Ein Duo flüchtet gleich wieder als sie die Kameras sehen. Überhaupt Kameras. Eine Wikileaks-Sprecherin zeigt drei Kameras, die man rund um den Landsitz herum entdeckt habe und die angebracht angebracht worden seien, um Assange noch besser im Blick zu haben.

Der Film bietet aber nicht nur einen Einblick in den rechten eintönigen Alltag von Assange, vielmehr zeigt er auch, wie das neue Wikileaks-Team aussieht. Denn Ellingham Hall ist mittlerweile eine Art Hauptquartier der Enthüllungs-Plattform. So berichten es Leute, denen Assange dort eine Audienz gewährt hat. Er hat neue Mitstreiter gewonnen, die er auf diese Art und Weise der Öffentlichkeit vorstellt. Zum Beispiel Sarah Harrison, die Assange, so der Eindruck aus dem Film, täglich zur Polizeistation fährt und für Wikileaks spricht. Oder Joseph Farrell mit modisch hochgegelter Harrtolle, der ebenfalls als Wikileaks-Mitglied vorgestellt wird. Programmierer sollen dazu gestoßen sein, die wieder aufbauen sollen, was durch den Streit zwischen Assange und seinem früheren Partner Daniel Domscheit-Berg nicht mehr zur Verfügung steht. Offenbar ist Wikileaks zumindest in Grenzen arbeitsfähig. Das soll wohl die eigentliche Botschaft des Films sein. Assange selbst dokumentiert das, in dem er an zwei Computern gleichzeitig arbeitet. Oder wenigstens tippt. Ob irgendwann wieder mehr kommt aus dem Hause Wikileaks als nur ein PR-Film, bleibt abzuwarten.

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