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© dpa

Erfurt: Zootiere zum Verzehr verkauft

So mancher Zoobesucher wird die possierlichen Freunde künftig wohl mit anderen Augen sehen. In Erfurt sind Zootiere illegal zum Verzehr verkauft worden.

Die Zoo-Mitarbeiterin schüttelt ungläubig den Kopf: "Wenn das stimmt, ist das eine große Schweinerei." Sie hatte sich auf einen schönen Tag im Erfurter Tierpark gefreut. Eine Strafanzeige des Oberbürgermeisters Andreas Bausewein (SPD) gegen den Zoo trübt jedoch die Stimmung. Das Stadtoberhaupt hatte am Dienstagabend erfahren, dass Zoo-Mitarbeiter ohne Genehmigung Tiere getötet und das Fleisch verkauft haben sollen.

"Wir haben es heute Morgen im Radio gehört", berichtet die Angestellte, die die Nachricht zuerst nicht glauben will. "Aber es muss was Wahres dran sein. Sonst hätte der Oberbürgermeister den Zoo ja nicht angezeigt."

Noch ist unklar, um welche Tierarten es sich handelt und wie der Wildfleisch-Verkauf organisiert wurde. Nach einem Bericht der "Thüringischen Landeszeitung" soll unter anderem Hirschfleisch verkauft worden sein. Das Büro des Oberbürgermeisters wollte wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens keine näheren Angaben machen.

Keine Auskunft: "Der Direktor ist krank"

Auch die Zooleitung schweigt zu den Vorwürfen. "Der Direktor ist krank", informiert der Angestellte an der Kasse. Zoo-Sprecherin Heike Maisch empfängt die Journalisten zum bereits vor Tagen ausgemachten Fototermin im Lama-Gehege. Dort will sie nur über die südamerikanische Kamel-Art sprechen. Tierarzt Dietmar Kulka, der Zoodirektor Norbert Neuschulz vertritt, will sich ebenfalls nicht äußern.

Zurückhaltend reagiert auch eine Zoo-Mitarbeiterin, die namentlich nicht genannt werden will. Nach kurzem Zögern sagt sie jedoch: "Es wird höchste Zeit, dass hier was getan wird. Die Tiere werden ja immer weniger." Diesen Eindruck kann eine weitere Angestellte zumindest für die Hirsche und Rehe bestätigen. Sie hat die Tiere in den vergangenen Monaten regelmäßig gezählt. "Im August waren es noch 14 Tiere, im November elf und im Januar höchstens acht." Zurzeit seien sechs Rehe und drei Jungtiere auf der Anlage, sagt sie.

Hinter einem Tiergehege bereitet eine Pflegerin Futter vor. Es komme schon mal vor, dass in Zoos überzählige Tiere wie zum Beispiel Ziegen an andere Tiere verfüttert werden, erklärt sie. "Aber dass das Fleisch verkauft wird, ist mir neu."

Tierschutzbund: Nur die Spitze des Eisbergs

Das Verfüttern von Tieren sei in deutschen Zoos keine gängige Praxis, stellt dagegen der Geschäftsführer der Deutschen Tierparkgesellschaft, Rüdiger Wandrey, klar. "In Deutschland dürfen Zootiere nicht ohne triftigen Grund getötet werden. Die meisten werden einfach alt und sterben." Der Deutsche Tierschutzbund in Bonn bezeichnete die Vorfälle im Erfurter Zoo als Skandal. "Wir befürchten, dass wir bisher nur die Spitze des Eisbergs sehen", sagt Präsident Wolfgang Apel.

Dass im Zoo einiges schief läuft, ist dem Stadtrat schon länger bekannt. Zoodirektor Neuschulz steht wegen eigenmächtiger und finanziell fragwürdiger Entscheidungen beim Bau der Löwensavanne in der Kritik. Außerdem soll er laut Medienberichten seine Mitarbeiter mit Kündigungsdrohungen gemobbt haben. Bei Personalgesprächen sei dann der unerlaubte Fleischverkauf aufgeflogen, heißt es.

Irena Güttel[dpa]

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