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Panorama: Es geschah am 11. September

Amerika diskutiert erneut über Sterbehilfe – nach einem erschütternden Fall von Kindesmisshandlung

In den USA endet das Jahr wie es begonnen hat: mit einer erschütternden Debatte über Sterbehilfe. Damals ging es um Terri Schiavo, eine Frau in Florida, die nach einem Unfall 15 Jahre im Koma lag. Ihr Mann wollte die Magensonde entfernen lassen; sie selbst hätte es so gewollt. Ihre Eltern wollten sie am Leben erhalten. Die religiöse Rechte entfesselte einen „Kampf für das Leben“. Die Gerichte gaben am Ende dem Mann Recht.

Jetzt liegt ein 11-jähriges Mädchen, Haleigh Poutre, seit gut drei Monaten im Koma, Folge brutaler Misshandlungen, vermutlich durch ihre Pflegeeltern. Es geschah am 11. September – seit den Anschlägen von 2001 ein traumatisches Datum für Amerika. Ihr Gehirn ist schwer geschädigt, sie könne nur bewusstlos dahinvegetieren, sagen die Ärzte. Das Sorgerecht hat das Sozialamt der Stadt Westfield im Südwesten des Bundesstaats Massachusetts. Es möchte die lebenserhaltenden Geräte abschalten lassen. Der Stiefvater, Jason Strickland, ist dagegen. Freilich bezweifelt die Öffentlichkeit, dass es ihm um das Mädchen geht. Er steht unter Anklage, sich an den Misshandlungen beteiligt, seine Frau im Wüten gegen das Kind nicht gestoppt und der Kleinen ärztliche Hilfe verweigert zu haben. Verwandte behaupten, Strickland fürchte, die Anklage werde auf Mord erweitert, wenn Haleigh sterbe – und sei es durch eine staatliche Abschaltung der Geräte. Sein Anwalt bestreitet das, es klingt auch juristisch wenig haltbar.

Die Aufklärung der Abläufe wird dadurch erschwert, dass die Stiefmutter Holli Strickland neun Tage nach der Einlieferung der kleinen Haleigh ins Krankenhaus – und nur einen Tag nach ihrer Entlassung aus der Untersuchungshaft – mit tödlichen Schussverletzungen neben der erschossenen Großmutter gefunden wurde. Die Behörden rätseln, wer der oder die Täter waren: Doppelselbstmord, Mord mit anschließendem Selbstmord oder Doppelmord?

Holli Strickland gilt als die eigentliche Übeltäterin. Eine Babysitterin hat ausgesagt, die Stiefmutter habe das Kind mehrfach mit Tritten die Kellertreppe hinabgestoßen. Es gibt auch Berichte von Misshandlungen mit einem Baseballschläger. Die Krankenschwester, die die Aufnahme des Mädchens am 11. September ins Hospital protokollierte, sagt, die Stricklands hätten eine unglaubwürdige Geschichte erzählt: Das Kind habe am Morgen noch gesprochen und zeige Grippesymptome. Sie gaben keine Erklärung, warum das Gesicht verschwollen war, Zähne fehlten, die Brust mit alten und frischen Brandwunden bedeckt war, der Körper mit Narben von Stichen und Schnitten; die schwere Verletzung der Schädeldecke verschwiegen sie.

Mittlerweile scheint klar: Haleigh neigte seit längerem dazu, sich selbst Verletzungen zuzufügen – wohl Folge einer traumatischen Kindheit. Das Sozialamt hatte seit 2004 Berichte über Misshandlungen erhalten und erwog, den Stricklands Haleigh wieder wegzunehmen.

Holli Strickland hatte Haleigh 2001 adoptiert, da die leibliche Mutter, ihre Schwester Allison Avrett, das Sorgerecht verloren hatte: wegen Vernachlässigung des Kindes und weil ihr Lebensgefährte es mehrfach missbraucht habe. Jason Strickland vollzog die Adoption nicht mit, weshalb die Behörden ihm eine Mitsprache in Sachen Sterbehilfe für Haleight verweigern.

Sie haben stattdessen die leibliche Mutter konsultiert, obwohl die kaum noch Kontakt zu ihrer Tochter hatte. Allison Avrett sagt: „Schaltet die Maschinen ab, damit Haleigh endlich Ruhe findet.“

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