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Eurovision Song Contest

© dpa

Eurovision Song Contest: Jury-Comeback und Show-Boykott

Moskau plant für den Eurovision Song Contest eine gigantische Show. Neue Regeln sollen den Wettbewerb zu alter Popularität zurückführen. Doch nicht nur der Veranstaltungsort erinnert an die Sommerspiele 1980.

Für den Eurovision Song Contest in Moskau verspricht Russland eine "grandiose Show, wie sie Europa in den vergangenen 53 Jahren nicht gesehen hat". Moskaus Olympiastadion, das für die Sommerspiele 1980 gebaut worden war, werde sich mit seinen 35.000 Plätzen in ein "wunderbares Fantasyland" verwandeln, wirbt der Musikchef Juri Aksjuta vom Staatskanal ORT. Der Sender organisiert in der größten und teuersten Stadt Europas am 16. Mai 2009 den ersten Grand Prix in Russland. Während viele Fragen wie etwa die Visabeschaffung ungelöst sind, steht ein wichtiges Novum bereits fest: Nach langem Streit um die Punktevergabe beim Televoting werden 2009 erstmals wieder Jurys eingesetzt.

Zusätzlich zu den am Telefon abgegebenen Wertungen der europäischen Fernsehzuschauer werden nationale Jurys die Qualität von Song, Stimme und Auftritt bewerten. Zwar ist noch unklar, wie viel Gewicht das Jury-Urteil haben wird, damit soll aber die osteuropäische Dominanz eingeschränkt werden. Der russische Popstar Dima Bilan konnte mit seinem Siegerlied "Believe" beim Eurovision Song Contest (ESC) in Belgrad voll und ganz auf die "Nachbarschaftshilfe" der Ex-Sowjetrepubliken und früherer Ostblockstaaten setzen. Der "Michael Jackson des Ostens" hatte fast die gesamte slawische Welt auf seiner Seite.

Deutschland ist gesetzt

Die Kombination aus Televoting und Jury-Urteil solle die Show interessanter machen, sagt der ESC-Generalsekretär Svante Stockselius. "Nichts ist demokratischer als eine Abstimmung der europäischen Zuschauer. Aber eine Jury hat die Möglichkeit, sich die Lieder mehrfach anzuhören, bevor sie eine Entscheidung fällt", sagt Stockselius laut einer Mitteilung. Damit gibt es erstmals seit 1996 wieder einen flächendeckenden Einsatz von Jurys beim ESC.

Wie in den vergangenen Jahren werden die Teilnehmer des Grand Prix' bei zwei Halbfinals (12. und 14. Mai) bestimmt. Allerdings sind das Gastgeberland und die "großen Vier" - Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien - schon gesetzt. In Moskau wird Russlands Popkönig und früherer Grand-Prix-Teilnehmer Filipp Kirkorow (41) - Sänger, Komponist und Produzent - die Show für das weltweite Fernsehpublikum moderieren. Unklar ist noch, wie der nächste deutsche Grand-Prix-Vorentscheid abläuft, nachdem Thomas Hermanns die Moderation abgegeben und der NDR einen Neuanfang angekündigt hat.

Verbot der Gay-Parade?

Auch in Russland sind weiter viele Fragen offen. Nach Russlands Krieg im Südkaukasus drohen einige Staaten mit einem Boykott des Liederwettbewerbs. Niemand geht derzeit davon aus, dass der Kriegsgegner Georgien am ESC 2009 teilnimmt, obwohl bis heute viele georgische Sänger und andere Künstler in Russland Erfolge feiern. Offen ist auch, ob die schwul-lesbische Fan-Gemeinschaft ihre geplante Parade in der Stadt ausrichten darf.

Gerade hat ein Moskauer Gericht wieder das diesjährige Verbot von Schwulenkundgebungen bestätigt - mit Rücksicht auf die mangelnde Toleranz in der russischen Gesellschaft. Moskaus Bürgermeister Jury Luschkow, der im ESC-Organisationskomitee sitzt, hat bereits in der Vergangenheit Kundgebungen von Homosexuellen als "satanische Handlungen" verurteilt und Polizeigewalt gegen die "Abartigen", wie er sie nennt, eingesetzt.

Die russische Regierung verspricht trotzdem ein weltoffenes Spektakel, für das umgerechnet bis zu 20 Millionen Euro ausgegeben werden sollen. Fans und Organisatoren hoffen auf eine ähnlich großzügige Geste der russischen Führung wie zuletzt im Mai beim Finale der Fußball-Champions-League. Als "Zeichen der Gastfreundschaft" durften etwa 45.000 britische Fußballfans ohne Visum einreisen: Sie legten an der Grenze nur die Eintrittskarte zum Spiel und den Pass vor. Der ESC-Kartenverkauf soll im Winter beginnen.

Ulf Mauder[dpa]

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