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Marco W. bei RTL

© dpa

Fall Marco W.: Beschwerde gegen Marcos Freilassung

Weihnachten zu Hause. Marco kann vorerst aufatmen. Die britische Gegenseite bleibt allerdings unbeeindruckt: Charlottes Anwalt will Beschwerde einreichen und Strafanzeige gegen die Verteidiger erstatten.

Der Anwalt der 13-Jährigen will angeblich heute noch Einspruch gegen die Freilassung Marcos einlegen. Man habe "diesen Beschluss nicht erwartet", sagte der Anwalt Omer Aycan und werde "am Montag einen Einspruch dagegen einreichen". Eine Entscheidung sei jedoch erst nach dem mehrtägigen islamischen Opferfest zu erwarten, das am Donnerstag beginnt. Ohnehin sei sein Antrag "vollkommen symbolisch", da Marco W. seit dem Wochenende wieder in Deutschland sei, sagte der Anwalt.

Aycan kündigte außerdem Strafanzeigen gegen die deutschen Marco-Anwälte Michael Nagel und Matthias Waldraff an. Die beiden Juristen hätten laut Presseberichten eingeräumt, dass sie versucht hätten, das Gericht im Fall Marco zu beeinflussen. Das verstoße nach seinem Verständnis gegen türkische Gesetze, sagte Aycan. Nagel betonte, es sei "die einzig rechtmäßige Entscheidung" gewesen, Marco freizulassen. Zu den angekündigten Strafanzeigen sagte er, diese illustrierten die "Stimmungsmache", auf die Charlottes Anwalt bereits in der Vergangenheit abgezielt habe. Er habe auf eine sachlichere Reaktion gehofft, betonte Nagel.

Der Vorwurf einer versuchten Einflussnahme auf das Gericht sei "völliger Blödsinn". Weder hätten er oder sein Kollege Waldraff die Möglichkeit dazu gehabt noch etwas Derartiges geäußert. Die Verteidigung ihrerseits habe bereits von einer Strafanzeige gegen Aycan abgesehen, obwohl dieser im Gerichtssaal unwahre Angaben über Charlottes Vernehmung gemacht habe. Einen solchen "Nebenkriegsschauplatz" habe die Verteidigung vermeiden wollen.

Die Staatsanwaltschaft Lüneburg prüft indessen ihr weiteres Vorgehen im Fall Marco. Zu diesem Zweck würden die aus der Türkei frisch eingetroffenen Akten mit Vernehmungsprotokollen und Gutachten zunächst übersetzt, sagte Oberstaatsanwalt Manfred Warnecke. "Das Weitere hängt davon ab, was in diesen Unterlagen drinsteht." Vermutlich erst im neuen Jahr würden diese gesichtet und bewertet, um zu entscheiden, "ob wir weiter ermitteln müssen und in welchem Umfang wir das dürfen", sagte Warnecke. Derzeit sei das noch "völlig offen".

Marco soll "komplett freigesprochen" werden

Marcos Vater hatte erklärt, er wolle alles dafür tun, dass Marco "von diesen unglaublichen Vorwürfen komplett freigesprochen wird". Beide waren Samstagnacht gegen halb zwei auf dem Nürnberger Flughafen gelandet. RTL hatte einen Privatjet gechartert, der den Jungen rasch in das heimatliche Studio in der Nähe Nürnbergs bringen sollte. Der Sender hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Jungen schnell vor die Kamera zu bekommen. Bereits seit zwei Monaten soll ein Reporter des Senders immer wieder mit den Eltern von Marco in Antalya verhandelt haben, um den Exklusivvertrag auszuhandeln.

Für viele kam der nächtliche Heimflug überraschend. Wegen des Andrangs von Reportern und Fotografen auf einer nahe glegenen Aussichtsterrasse weigerten sich die Passagiere zunächst, aus dem Flugzeug auszusteigen. Erst als die Maschine gewendet hatte und einige hundert Meter weiter gerollt war, stiegen die Insassen in die wartende Limousine und ein Taxi. Die Wagen fuhren durch einen Nebenausgang vom Flughafengelände.

Kein Wort zum Prozess

Angekommen im Studio erzählte Marco den Zuschauern von seiner "schweren Zeit", aber auch davon, dass er Freundschaften im Gefängnis geschlossen habe. Er wünsche sich aber nun nichts sehnlicher, als in seine Heimatstadt Uelzen zurückkehren und dort an das normale Leben vor der Haft in der Türkei anzuknüpfen. Über den Prozess konnte während des Interviews nach Angaben des Senders nicht gesprochen werden, da "die Schuldfrage ungeklärt sei."

Wenn Marco W. im April wieder vor das türkische Gericht treten soll, wird es zwölf Monate her sein, dass er die verhängnissvolle Nacht mit der Britin Charlotte verbrachte. Damals war er bei seiner Verhaftung noch von einer Verwechslung ausgegangen. Abends aber sei ihm und seiner Familie dann klar gewesen, dass sie ihren Rückflug verschieben müssten: "Wir dachten, dass es irgendwann in der Nacht oder am nächsten Tag geht. Aber das hat sich ja ein bisschen länger verschoben."

Während seiner Zeit im Gefängnis durfte der 17-Jährige seine Eltern lediglich einmal in der Woche durch eine Glasscheibe sehen, einmal im Monat fiel die Scheibe für eine Stunde weg. Acht Monate, während "die Zeit im Gefängnis einfach langsamer läuft." Abgelenkt habe er sich durch Sport und Fernsehen. Er habe aber auch "sehr viel nachgedacht über das spätere Leben".

Jetzt müssen die Schulbehörden vor allem klären, wie es mit seiner Ausbildung weitergeht. Marco war zum Schuljahresbeginn Ende August im Bereich Technik einer zweijährigen Fachoberschule angemeldet. Seinen Realschulabschluss hat er trotz versäumter Prüfungen bekommen.

Marie Preuss

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