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Panorama: Feilschen mit Piraten

Wie der Bremer Reeder Niels Stolberg seinen Frachter und die Mannschaft freibekam – mit einem niedrigen Millionenbetrag

Nach drei aufreibenden Wochen kam am Donnerstag endlich der erlösende Anruf: „Wir hieven den Anker“, berichtete der Kapitän des Frachters „BBC Trinidad“ dem Chef der Bremer Reederei Beluga Shipping, Niels Stolberg. Am 21. August hatten somalische Piraten das Schwergutschiff im Golf von Aden entführt und mit Mann und Maus in eine Bucht an der Südostküste Somalias gelotst. „Das kann teuer werden“, ahnte der 47-jährige Reedereigründer sofort.

Teuer? Nach langen Verhandlungen musste er den Entführern jetzt ein Lösegeld zahlen – einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag in US-Dollars, per Boten in bar über das benachbarte Kenia geliefert. „Der Kapitän und die Crew sind körperlich unversehrt. Sie befinden sich nun unter ärztlicher Aufsicht und in psychologischer Betreuung zur Aufarbeitung und Bewältigung der dramatischen Erlebnisse“, teilte die Reederei am Nachmittag mit. „Ich bin überglücklich, aber auch ziemlich kaputt nach diesen dramatischen drei Wochen“, erzählte Stolberg gestern dem Tagesspiegel.

Wie verhandelt man eigentlich mit Piraten? Auf jeden Fall nicht nach dem Motto: „ Bloß keine Polizei!“ Drei Wochen lang trafen sich morgens um sieben Uhr zehn Fachleute in der Bremer Reederei: neben Beluga-Leuten auch Beamte des Bundeskriminalamts und englische Piraterie-Experten. Sie diskutierten die Lage und legten die Marschrichtung fest. Zwischen neun und elf Uhr klingelte es dann: der tägliche Anruf vom Schiff. Erst meldete sich, via Satellitentelefon, der Kapitän, ein Slowake. Zunächst konnte er immer berichten, dass es der 13-köpfigen Besatzung den Umständen entsprechend gut gehe.

Aber Stolberg ahnte, wie es seinen Leuten unter der Fuchtel der schwer bewaffneten Piraten wirklich ging: „Nach drei Wochen ist man traumatisiert und leidet unendlich.“ Fünf Minuten also Lagebericht des Kapitäns. Dann übernahm der Sprecher der Entführer das Telefon. Er bekam allerdings nicht den erpressten Reederei-Chef zu sprechen, sondern nur einen Mitarbeiter von ihm. Stolberg und die versammelten Experten hörten per Lautsprecher mit.

So musste der Reeder nicht gleich Entscheidungen treffen, sondern konnte sich nach dem Telefonat zunächst mit den Fachleuten beraten - diesmal in kleinerer Runde. Da wurden dann auch die Gesprächsmitschnitte analysiert. „Wie ist die Stimmung? Ist sie kritisch geworden?“ – das alles versuchte Stolberg mit seinen Beratern herauszufinden. Auch Hintergrundgeräusche konnten manchmal aufschlussreich sein: „Wird da geflüstert? Wird jemand unter Druck gesetzt?“ „Höchste Priorität hat das Leben meiner Kollegen an Bord“, versicherte Stolberg immer wieder.

Deshalb blieb ihm nichts anderes übrig, als zu zahlen. Aber natürlich ging er nicht auf die erstbeste Lösegeldforderung ein, sondern versuchte zu feilschen. Die Piraten wollten x Dollar, die Reederei bot y Dollar - „und dann musste man sich annähern“. Stolberg, der nicht nur Diplom-Wirtschaftsingenieur für Seeverkehr ist, sondern auch ein großes Kapitänspatent besitzt, ist „heilfroh“ darüber, dass sein entführter Kapitänskollege schon mal ein Seminar besucht hatte, auf dem auch über den Umgang mit Piraten gesprochen worden war: „keine Gegenwehr, keine Waffen, ruhig bleiben, Hands up“, so Stolberg, der dabei solidarisch selber die Hände hochhebt.

Zahlen musste der verheiratete Vater dreier Töchter das Lösegeld aus der Firmenkasse. „Nicht einen Cent“ bekommt er vom deutschen Staat erstattet – warum auch, die „BBC Trinidad“ läuft unter der Billigflagge von Antigua und Barbuda. Aber vielleicht ersetzt Stolbergs Versicherung ihm einen Teil des Schadens.

Wer sind die neun Männer, die ihn erpressten und auch gleich noch die Kabinen der Besatzung ausplünderten? „18- bis 19-Jährige, aber auch 30- bis 40-Jährige“, schätzt Stolberg. Zwischendurch waren sie betrunken oder von Drogen berauscht, manchmal „extrem unberechenbar und aggressiv, dann wieder ruhig“. „Das war immer von der Tagesform abhängig“, erzählt der Reeder.

Die befreite „BBC Trinidad“ fährt jetzt erst mal zum Zielhafen Muscat im Oman. Dort wird die Ladung gelöscht, und die Seeleute können endlich ihre Verwandten in den Arm nehmen, die extra eingeflogen werden. Der Frachter liegt dort mindestens eine Woche. Stolberg hat seinen Leuten versprochen: Jeder kann entscheiden, ob er abgelöst werden will oder gleich wieder auf die nächste Tour geht. Womöglich mit ziemlicher Angst im Nacken. Auch wenn er sein Schiff jetzt freibekommen hat: Aus Stolbergs Sicht muss schnell etwas passieren gegen das Piraten-Unwesen vor Somalia. Er denkt auch an die Lösegeldsummen: „Die Beträge gehen weiter nach oben, wenn man nichts macht.“

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