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Panorama: Ferienflug in den Tod

Die Urlauber in der Unglücksmaschine in Madrid hatten keine Chance. Offenbar brannte ein Triebwerk

Schwarze Rauchwolken über dem Gelände des Madrider Flughafens. Die Rauchsäule ist noch bis zum Stadtzentrum sichtbar. Weit hinter dem Ende der Startbahn des neuen Terminals vier brennt das Wrack der spanischen Spanair-Maschine vom Typ MD-82. Der Rumpf ist in wenigstens zwei Teile auseinandergebrochen. Dutzende Feuerwehr- und Krankenwagen rasen übers Flugfeld Richtung Absturzstelle. Ein Flugzeug voller Urlauber, die von Madrid nach Las Palmas auf der Kanareninsel Gran Canaria wollten. Der Ferienflug JK 5022 endet am Mittwochnachmittag in einer Tragödie, bei der vorläufigen Angaben zufolge mindestens 150 der rund 170 Insassen starben.

Eine der größten Tragödie der spanischen Luftfahrt. Die Piloten der zweistrahligen Unglücksmaschine hatten gegen 14 Uhr 45 auf der Startpiste 36 Vollgas gegeben und rasten auf das Ende der Piste zu. Augenzeugen zufolge hob das Flugzeug dann zunächst einige Meter ab, stürzte dann aber zu Boden. Offenbar mit dem linken Motor in Flammen. Sekunden später brannte das ganze Flugzeug, das gerade voll getankt worden war und nun zerschmettert im Feld liegt.

Den Rettern, die Minuten später eintreffen, bietet sich ein Inferno. „Das Flugzeug war völlig zertrümmert, Flammen schlugen aus dem Wrack, einige Menschen waren herausgeschleudert worden“, berichtet ein Flughafenmitarbeiter. Die meisten Opfer starben in der Feuerhölle. Viele Leichen waren bis zur Unkenntlich verkohlt. Die Feuerwehr, die gut zwei Stunden brauchte, um die Flammen zu löschen, konnte offenbar nur rund zwei Dutzend Menschen retten, die meisten mit schweren Verbrennungen; viele befinden sich in kritischem Zustand.

In der Maschine saßen die Passagiere, davon zwei Babys, und neun Besatzungsmitglieder. Der Flughafen war bis gegen 17 Uhr gesperrt. Wenig später wurden die Starts und Landungen in eingeschränktem Umfang wieder aufgenommen. Die Einsatzleitung rief die höchste Alarmstufe aus. Um den Einsatz zu koordinieren, trat ein Krisenstab zusammen, zahlreiche Hubschrauber kreisten mit großen Löschbehältern über der Unglücksstelle.

Beide Flugschreiber wurden bereits gefunden. Experten vermuteten, ein Triebwerk könne beim Start in Brand geraten sein, als das Flugzeug den „Point of no return“ überschritten habe. Die Maschine habe möglicherweise eine solche Geschwindigkeit erreicht gehabt, dass der Pilot den Start nicht mehr abbrechen konnte. „Es ist ein Wunder, dass überhaupt jemand überlebte“, sagte ein Augenzeuge. Ein Helfer berichtete: „Das Wrack war verkohlt und voller Leichen. Da sah nichts mehr wie ein Flugzeug aus.“ Unter den Opfern befinden sich auch ausländische Urlauber, wie die Behörden mitteilten. Es handele sich vermutlich um einige schwedische, holländische und auch deutsche Touristen.

Die spanische Fluglinie Spanair gehört zur skandinavischen SAS-Gruppe (Scandinavian Airlines). Der Spanair-Flug JK 5022 trug auch die Flugnummer LH 2554, eine Nummer der deutschen Lufthansa. Spanair gehört zur Staralliance-Gruppe und kooperiert mit Lufthansa. Der Flug war vom Barajas-Flughafen der spanischen Hauptstadt Madrid, dem viertgrößten Airport Europas, mit knapp zweistündiger Verspätung gestartet. Dem Vernehmen nach wegen technischer Probleme, die offenbar behoben werden mussten. Genauere Angaben zu den Gründen der Flug-Verzögerung wurden zunächst von Spanair nicht gemacht. Man weiß nur, dass die Maschine zunächst gegen 13 Uhr ihren Parkplatz verlassen hatte und nach dem Instrumentencheck auf dem Flugfeld wieder zur Parkposition zurückkehrte. Kurz vor 15 Uhr rollte das Flugzeug dann erneut zum Start und raste in die Katastrophe. Die Maschine des Herstellers McDonnell Douglas soll bereits rund 15 Jahre alt gewesen sein und war zuletzt im Januar generalüberholt worden. Die Auswertung der Blackbox, in der alle technischen Flugdaten gespeichert werden, soll nun genaueren Aufschluss über die Unglücksursache geben. Am Abend wurden jene Familienangehörigen, die auf dem Flughafen Las Palmas auf Gran Canaria vergebens auf den Unglücksflug gewartet hatten, nach Madrid geflogen. Sie wurden von Psychologen betreut und von den Medien abgeschottet.

Die jüngste Flugkatastrophe weckte Erinnerungen an das schlimmste Drama der spanischen Luftfahrt: Am 27. März 1977 waren auf dem Teneriffa-Flughafen Rodeos auf der Startbahn zwei vollbesetzte Jumbos zusammengeprallt und explodiert, 585 Menschen Urlauber starben damals. An dem Madrider Flughafen – dem größten des Landes – hatte es zuletzt vor knapp 25 Jahren zwei schwere Flugzeugkatastrophen gegeben.

Die Airline Spanair macht seit einiger Zeit Verluste und steht zum Verkauf. Die Muttergesellschaft SAS hatte jüngst einen drastischen Sparkurs angekündigt. Demzufolge sollen 15 Maschinen aus dem Verkehr gezogen, neun Flugverbindungen eingestellt und 900 Stellen gestrichen werden. (mit dpa)

Ralph Schulze[Madrid]

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