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Fluggastrecht: Streit um verspätete Flüge

Der Bundesgerichtshof will die Entschädigungsansprüche für Flugpassagiere auf EU-Ebene klären lassen.

Der Bundesgerichtshof hat sich gestern erstmals mit den Entschädigungsansprüchen für Flugpassagiere nach dem neuen EU-Recht befasst. Es geht darum, ob und ab wann eine Verspätung als ausgleichspflichtige Stornierung eines Fluges gilt. Die Karlsruher Richter setzten das Verfahren allerdings aus und baten den Europäischen Gerichtshof um Klärung der strittigen Auslegungsfragen.

Seit Februar 2005 gilt die EU-Verordnung (EG) Nr. 261/2004 über die Passagierrechte. Fluggäste haben danach bei Nichtbeförderung oder Streichung von Flügen Anspruch auf Ausgleichszahlungen. Je nach Entfernung reicht die Entschädigungshöhe von 250 Euro bei Kurzstrecken bis 600 Euro bei Langstrecken.

Bei Verspätungen gibt es dagegen bisher nur eine Betreuungspflicht. Verzögert sich ein Flug um mindestens zwei (Kurzstrecke) bis vier Stunden (Langstrecke), müssen die Airlines den Fluggästen kostenlos Mahlzeiten, Erfrischungen und Kommunikationsmöglichkeiten bieten. Ist der Abflug erst am Folgetag möglich, muss die Fluggesellschaft zusätzlich für Hotelunterbringung und Transfer sorgen. Handelt es sich um den Teilabschnitt einer weiterführenden Flugreise, deren Zweck durch die Verspätung nicht mehr gegeben ist, kann der Reisende darüber hinaus die Erstattung noch offener sowie bereits abgeflogener Strecken sowie den Rücktransport zum Ausgangsort verlangen.

2005 hatte sich der Condor-Rückflug eines deutschen Ehepaares von Toronto nach Frankfurt wegen eines technischen Defektes am Flugzeug um rund 25 Stunden verschoben. Während der Pilot zunächst von einer Absage des Fluges gesprochen habe, sei bei der Airline später von einer Verspätung die Rede gewesen, so der Wiesbadener Luftrechts-Experte Professor Ronald Schmidt, der die Eheleute vertritt. Die Betroffenen forderten bisher vergeblich je 600 Euro, die Juristen von Condor lehnten eine Zahlung ab. Amtsgericht Rüsselsheim und Landgericht Darmstadt gingen ebenfalls von einer Verspätung aus und wiesen die Ansprüche deshalb zurück.

Mit seiner Klage wolle er erreichen, dass lange Verspätungen einer Stornierung gleichgesetzt werden, sagte Schmid dem Tagesspiegel. Folgt der Europäische Gerichtshof dieser Auffassung oder wird die EU-Verordnung entsprechend geändert, kommen weitere, erhebliche Ansprüche auf die Luftverkehrsgesellschaften zu. Bei 300 Passagieren summiert sich eine Ausgleichszahlung von 600 Euro auf 180 000 Euro.

Erste Anlaufstelle für Passagiere, denen eine Airline ihre Ansprüche verweigert, ist in Deutschland das Luftfahrtbundesamt (LBA). Allein im ersten Quartal dieses Jahres hat die Behörde über 300 Fälle abschließen können.

Informationen zu den Fluggastrechten erhalten die Passagiere am Bürgertelefon des LBA unter der Rufnummer 0531/2355-100 oder im Internet unter www.lba.de.

Rainer W. During

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