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© dpa

Flugzeugunglück in Madrid: "Wir wollen keine Psychologen, wir wollen Techniker"

Immer noch suchen Experten nach der Ursache für die Unglücksursache der Flugzeugkatastrophe von Madrid. Einen Monat sollen die Ermittlungen noch andauern - für die Angehörigen eine lange Zeit. Es überwiegen Frust und Verzweiflung, wie ein Treffen der Betroffenen mit Vertretern der Spanair zeigte.

Drei Tage nach der Flugzeugkatasrophe von Madrid sind es vor allem Antworten, die die Angehörigen verlangen. Bei einem Treffen von Betroffenen und Vertretern von Spanair war es immer wieder die eine Frage nach dem "Warum", die gestellt wurde. "Wir wollen keine Psychologen, wir wollen Techniker, die erklären, was passiert ist", entfährt es einem der Angehörigen nach Angaben der Onlineausgabe der spanischen Tageszeitung "El Mundo". Javier Nuñez, der in Madrid vier Verwandte verlor, verließ aufgebracht ein Treffen mit der Vizeregierungschefin María Fernández de la Vega und schimpfte: "Wir wollen hier keine Politiker mehr sehen. Wir wollen endlich wissen, was wirklich passiert ist."

Am Mittwoch stürzte eine Spanair-Maschine unmittelbar nach dem Start vom Madrider Flughafen Barajas ab und ging in Flammen auf. 153 Menschen starben, 19 wurden verletzt. Die Angehörigen sind verzweifelt, die Unglücksursache ist weiter unklar.

Der Frust der Angehörigen erreichte bei dem Treffen mit den Spanair-Vertretern ein solches Ausmaß, dass Polizisten und Psychologen einschreiten mussten, um eine Prügelei zu verhindern. Die Verantwortlichen wurden als "Lügner" und "Halsabschneider" beschimpft. Die Angehörige eines Opfers sagte: "Am Ende wird man die Schuld dem Piloten geben. Der ist tot, und die Sache wird im Sande verlaufen."

Rätselraten über die Ursache

Bei der Untersuchung der Unglücksursache wurde ein Techniker, der die Unglücksmaschine zum Start freigegeben hatte, von einer Expertenkommission und von der Polizei vernommen. Er sagte nach Medienberichten aus, dass das Flugzeug vor dem Unglück einen Start wegen einer Panne an einem Fühler der Außentemperatur abgebrochen habe. Daraufhin sei der Fühler gemäß den Vorschriften abgestellt worden. Mit dem Absturz könne dies nichts zu tun haben.

Aufgrund von Augenzeugenberichten war man davon ausgegangen, dass beim Start ein Triebwerk der zweistrahligen Maschine in Brand geraten war. Diese Annahme wurde durch ein Video infrage gestellt. Nach Angaben der Zeitung "El Mundo" erwägen die Experten nun zwei andere Hypothesen: Entweder lösten sich von einem Triebwerk beim Start Teile, die das Leitwerk beschädigten; oder die Maschine erlitt an beiden Motoren einen plötzlichen Leistungsabfall. Das Flugzeug vom Typ MD-82 hatte laut Wetteramt beim Start leichten Rückenwind, was das Abheben erschwert.

Es sind viele Punkte, die rätselhaft erscheinen. So berichtet "elmundo.es", die Hotline, die Spanair freigeschaltet habe, solle nicht funktioniert haben. Noch schwerer wiegt der Vorwurf eines (beim Unglück getöteten) Insassen, der vor dem Start der Maschine eine SMS an seine Frau geschickt haben soll, die Besatzung lasse ihn nicht aus dem Flugzeug aussteigen. "Sie lassen uns nicht raus, alle Türen bleiben geschlossen."

Angehörige fürchten Pannen bei der Identifizierung der Opfer

Die Onlineausgabe von "El Pais" berichtet, das Flugzeug stand kurz vor einer Wartung. Einmal im Jahr wird die Flugtauglichkeit ziviler Flugzeuge überprüft. Der nächste Check für die Unglücksmaschine hätte am 28. sein sollen. Nach Angaben von "elpais.es" ist dies kein Anzeichen dafür, dass das Flugzeug kurz vor der Altersschwäche gestanden hätte - auch die Kontrollen werden im Flug mit vollbesetzten Passagieren durchgeführt. Sollte sich herausstellen, dass die Unglückursache ein defekt des Flugzeugs war, wäre dies besonders tragisch.

Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba kündigte an, dass die Identifizierung der Toten - bis auf wenige Ausnahmen - noch an diesem Wochenende abgeschlossen werden solle. Bei den Opfern aus dem Ausland könne die Feststellung der Identität etwas länger dauern, weil genetisches Material für den DNA-Abgleich beschafft werden müsse. Nach Angaben der spanischen Regierung waren unter den Toten fünf Deutsche.

Angehörige befürchten, es könne bei der identifizierung der Toten zu Pannen kommen - wie schon einmal im März 2003 nach dem Absturz einer spanischen Jak-42 in Afghanistan. Ein Vergleich des Erbguts in 39 Fällen ergab damals, dass zahlreiche Familien die falsche Leiche erhalten hatten.

Zwei Verletzte kämpfen noch um ihr Leben

Zwei der insgesamt 19 geretteten Insassen kämpfen noch um ihr Leben. Wie die Gesundheitsbehörde der spanischen Hauptstadt am Samstag mitteilte, befinden sie sich in "sehr ernstem Zustand". Eine 31-jährige Frau, deren Haut bei dem Absturz am Mittwoch zu mehr als zwei Dritteln Verbrennungen erlitt, ist weiterhin in einem kritischen Zustand, hieß es am Samstag in einer Erklärung der Madrider Gesundheitsbehörde. Unterdessen geht das Auswärtige Amt in Berlin nach Angaben eines Sprechers Hinweisen nach einem sechsten deutschen Passagier an Bord der Spanair-Maschine nach.

Der für die Ermittlungen zuständige Staatsanwalt Emilio Valerio sagte, in einem Monat sollte geklärt sein, weshalb die Maschine der Fluggesellschaft Spanair kurz nach dem Start abgestürzt war. Er wies nach Presseberichten vom Samstag darauf hin, dass die Ursachen möglichst ermittelt werden sollten, damit die Familien der Opfer nicht länger im Ungewissen bleiben müssten. Für die Angehörigen ist ein Monat Ungewissheit eine lange Zeit. (nis/imo/dpa/AFP)

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