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Freund der Deutschen: Historiker Gordon Craig gestorben

Der Historiker Gordon Craig ist tot. Im Alter von 91 Jahren starb der Deutschland-Freund in Kalifornien. Er wurde unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

New York - Der amerikanische Historiker Gordon Alexander Craig, ein Experte für deutsche Geschichte, ist im Alter von 91 Jahren in den USA gestorben. Wie der Beck Verlag am Mittwoch in München mitteilte, starb er am Wochenende in einem kalifornischen Altersheim.

Craig galt als kritischer Freund der Deutschen und intimer Kenner ihrer Geschichte. Große Anerkennung fand seine Gesamtdarstellung des deutschen Nationalstaates mit dem Titel «Deutsche Geschichte 1866- 1945». In seinem Buch «The Germans» (Über die Deutschen) versuchte er vor allem einer amerikanischen Leserschaft zu erklären, wie ein und dasselbe Volk große Kultur- und Zivilisationsleistungen, aber auch Hitler hervorbringen konnte.

Immer wieder wandte er sich gegen die vor allem in der Nachkriegszeit in Amerika weit verbreitete Vorstellung, Militarismus und eine Vorliebe für autoritäre Herrscher lägen den Deutschen im Blut. Gleichzeitig kritisierte er Bestrebungen deutscher Historiker der 50er Jahre, den Nationalsozialismus als eine Art «Betriebsunfall» der deutschen Geschichte ohne tiefere Wurzeln hinzustellen.

Craig war davon überzeugt, dass schon die Gründung des deutschen Kaiserreichs ein Unglücksfall war und die preußische Armee schon lange zuvor eine verhängnisvolle Rolle spielte. Auf Forderungen deutscher Politiker nach einem «neuen Patriotismus» reagierte er - selbst entschieden liberal - skeptisch, betonte aber immer, der Aufbau einer stabilen Demokratie könne die Deutschen stolz machen und habe ihnen im Ausland großen Respekt eingebracht.

Historiker-Kollegen waren hin und wieder erstaunt darüber, dass sich ausgerechnet ein Kalifornier schottischer Herkunft zu einem so differenzierten Kenner Deutschlands entwickelte. Craig wurde 1913 in Glasgow geboren, wanderte als Kind mit seinem Vater die USA aus und wurde amerikanischer Staatsbürger. 1935 kam er als Stipendiat nach Deutschland und erlebte dort die Phase, in der Hitler seine Machtposition endgültig zementiert hatte. Nach diesem Besuch ließ ihn Deutschland nie mehr los.

Sein Durchbruch als international beachteter Historiker kam 1955 mit der Studie «Die preußisch-deutsche Armee 1640-1945». 1961 wurde er Geschichtsprofessor an der Universität Stanford, 1962 auch Theodor-Heuss- und später Honorar-Professor an der Freien Universität Berlin. Ausgezeichnet wurde er unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz, der Goethe-Medaille und dem Historikerpreis der Stadt Münster.

Craig war nicht nur ein Kenner der deutschen Geschichte, sondern auch der deutschen Literatur und selbst ein großer Erzähler, der jede Fachsprache zu vermeiden wusste. Er war davon überzeugt, dass etwa die Romane Theodor Fontanes einen tieferen Einblick in das Denken und Empfinden der Deutschen während der Kaiserzeit gewährten als jede historische Studie. (tso/dpa)

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