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Friedhöfe im Visier: Altmetalldiebe werden zu Grabräubern

Der Rohstoffhunger der Weltwirtschaft macht auch vor den Toren der Friedhöfe nicht Halt. Altmetalldiebe plündern alles was nicht niet- und nagelfest ist. Die Polizei ist hilflos.

Neben dicken Kabelrollen, Bahnschienen, Gully-Deckeln und Dachrinnen haben Altmetalldiebe zunehmend die Totenfelder der Städte und Gemeinden ins Visier genommen, wie ein Blick in die Polizeimeldungen aus dem Jahr 2007 belegt. Auf Friedhöfen gibt es für skrupellose Diebe mehr zu holen als alte Gießkannen und welken Blumenschmuck: Pflanzschalen und Vasen, Leuchten, Inschriften und Grabmäler: Nahezu alle Gegenstände aus Metall lassen sich beim Schrotthändler des Vertrauens zu Geld machen.

Die Polizei registriert meist hilflos die Anzeigen. Regionale Schwerpunkte haben sich unter anderem am Niederrhein bei Mönchengladbach und in Bayern ergeben, wo pietätlose Diebe sogar Kupferabdeckungen von Holzkreuzen gerissen haben.

Störung der Totenruhe

"Für die Hinterbliebenen ist das natürlich furchtbar", sagt Reiner Sörries, wissenschaftlicher Leiter des Sepulkral-Museums in Kassel. "Es geht dabei nicht so sehr um den materiellen Schaden, obwohl der auch beträchtlich sein kann, sondern in erster Linie um die Störung der Totenruhe. Das bedrückt die Menschen schon sehr." Historisch gesehen habe es Grabräuberei natürlich schon immer gegeben, sofern man in und an den Gräbern Wertsachen vermuten konnte, blickt der Kasseler Totenkult-Professor in die bis zu den Pharaonen zurückreichende Geschichte. "In der Antike hat es regelrecht organisierte Banden von Grabräubern gegeben."

In der Gegenwart sind die Banden wohl eher auf die weitaus mehr Profit versprechenden Großbaustellen ausgerichtet, wie Fälle aus Hessen oder Brandenburg belegen. Im Osten hatte es eine später ertappte Bande von Kupferdieben auf Kabel aus Windkraftanlagen abgesehen, während die Täter in Hessen sich nicht einmal selbst die Hände schmutzig machen wollten: Sie beauftragten einfach Firmen aus der Region, eine stillgelegte Bahnstrecke bei Lohra abzureißen und verhökerten den Stahlschrott an Händler in Koblenz und Kassel.

Friedhofsdiebe stehlen tagsüber

Auf den kaum bewachten Friedhöfen sind eher Einzeltäter unterwegs, die schwerer zu fassen sind. Begehrt sind vor allem Buntmetalle wie Kupfer. Für hundert Kilogramm mittlerer Qualität werden derzeit deutlich mehr als 500 Euro gezahlt, doppelt so viel wie 2005. Und der Rohstoffhunger der boomenden Weltwirtschaft hat auch den Preis für Stahlschrott in die Höhe getrieben, der immer wieder eingeschmolzen werden kann.

"Der Ort der Trauer wird für Straftaten missbraucht", empört sich Manfred Zagar, Vorsitzender des Verbands der Friedhofsverwalter Deutschlands, wo über das Problem immer häufiger diskutiert wird, ohne dass genaue Zahlen vorlägen. Die meisten Diebstähle ereignen sich nach Zagars Einschätzung tagsüber. "Im grünen Kittel kann man sich an jedem beliebigen Grab zu schaffen machen, ohne Verdacht zu erregen." Der Verband rät seinen Mitgliedern daher vor allem, die Zahl der Fahrzeuge auf dem Friedhof drastisch einzuschränken und die Zufahrtskontrollen entsprechend zu intensivieren. Ansonsten könne man nur an die Besucher appellieren, die Augen offen zu halten und verdächtige Vorfälle zu melden.

Schrotthändler in der Zwickmühle

Den Ermittlern bleibt noch der Zugriff auf die Vertriebswege der Metalldiebe. Die Schrotthändler sehen sich in der Zwickmühle, sagt Ulrich Leuning, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen (BDSV). Sie müssten ihre Plätze immer besser gegen Einbrecher sichern, mit Videoanlagen, hohen Zäunen und Wachdiensten. Auf der anderen Seite laufen sie täglich Gefahr, gestohlene Ware zu kaufen und sich so der Hehlerei schuldig zu machen. Der Vorschlag, auf Barankäufe mit unbekannten Lieferanten zu verzichten, trifft aber auf wenig Gegenliebe, da der Kleinankauf selbst von größeren Unternehmen immer noch als wichtige Quelle der Altmetallbeschaffung angesehen wird. (mit dpa)

Christian Ebner[dpa]

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