zum Hauptinhalt
Chef

© obs

''Frustjobkillerbuch'': Der Chef ist nicht an allem schuld

Frust im Job hat nichts mit dem Chef zu tun, sondern mit der eigenen Einstellung. Diese These vertreten zwei Psychologen, die jetzt das "Frustjobkillerbuch" geschrieben haben. Das Fazit: Dein Arbeitsplatz ist gut, woanders ist es auch nicht besser.

Sie leiden unter Zwängen, fehlender Anerkennung und enttäuschten Erwartungen. Ihre Arbeitstage kommen ihnen monoton vor, ihr Gehalt zu niedrig, die Kollegen unausstehlich, und der Chef, ja der Chef zollt ihrer Arbeit entschieden zu wenig Anerkennung.

Die beiden Psychologen haben für sie alle einen Rat parat, der stark an die Botschaft „Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest“ erinnert: Bleib an deinem Arbeitsplatz, sagen sie, es könnte sich um deinen Traumjob handeln. Nur hast du es bisher noch nicht bemerkt. Arbeite weiter da, wo du bisher gearbeitet hast – aber arbeite vor allem an dir selbst! Denn dass die Bedingungen an einem anderen Arbeitsplatz grundlegend anders sein würden, kannst du nicht ernsthaft erwarten. Du schimpfst auf deinen Chef oder deine Chefin – dabei erwartest du zu viel oder das Falsche von ihm oder ihr.

Die Autoren weisen darauf hin, dass viele Mitarbeiter von ihrem Chef sehr viel Zuwendung und Aufmerksamkeit erwarten. Der Chef gebe sich oftmals alle Mühe, aber bei vielen Mitarbeitern kann er nicht jedem Einzelnen die Aufmerksamkeit schenken, die der erwartet. Sind Mitarbeiter ichbezogen und undankbar? Während Chefs warmherzig versuchen, ihnen gerecht zu werden? Sind die Klagen der Unzufriedenen unberechtigt?

Wenn man den Begriff „Frust“ weit fasst, lässt sich die Ausgangsthese, die Volker Kitz und Manuel Tusch für ihr „Frustjobkillerbuch“ wählen, durchaus wissenschaftlich untermauern: Einer vom Arbeitsministerium in Auftrag gegebenen Studie ist zu entnehmen, dass zwar 77 Prozent der berufstätigen Deutschen mit ihrem Job „ganz zufrieden“ sind, doch nur eine kleine Minderheit von sechs Prozent würde sich als „völlig zufrieden“ mit der beruflichen Situation bezeichnen. Im Jahr 2001 waren es noch 16 Prozent. Längst ist wissenschaftlich untermauert, dass es vor allem der „Aufwärtsvergleich“ ist, der Menschen mit ihrer beruflichen Situation unzufrieden macht. „Nicht wie viel ich verdiene, ist entscheidend für die Zufriedenheit mit der Arbeit, sondern wie der Vergleich mit meinen Bezugspersonen ausfällt“, sagt denn auch der Arbeitspsychologe Heinz-Jürgen Rothe von der Uni Potsdam.

Durchaus möglich, dass die Tendenz, sich mit den Reichen und Schönen zu vergleichen, in unserer Mediengesellschaft sich auch auf Gehalt und berufliche Aufstiegschancen erstreckt. Sind die Menschen also heute anspruchsvoller, möglicherweise auch unrealistischer geworden, was die Erwartungen an den Arbeitsplatz betrifft? Erwarten sie Streicheleinheiten, die an diesem Ort gar nicht verteilt werden können?

Rothe findet es zunächst einmal wichtig, dass schlichte Existenzangst von Unzufriedenheit auf hohem Niveau unterschieden wird. Zugenommen haben aus seiner Sicht auf jeden Fall die Ängste: „Es haben inzwischen auch Menschen die Befürchtung, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, die dazu gar keinen konkreten Grund haben. Das wird durch die Berichterstattung der Medien über Arbeitsplatzverluste noch verstärkt.“ Im Beruflichen greifen offensichtlich dieselben Mechanismen wie im Privaten: Wo wir rings um uns täglich von Trennungen und Scheidungen hören, haben wir ja auch vermehrt Angst um die eigene Beziehung. Rothe befürchtet, dass in einer solchen Situation die Empfehlung der jungen Buchautoren, den eigenen Arbeitsplatz im rosigeren Licht zu sehen, leicht zu einem Phänomen führen könnte, das er und seine Kollegen als „resignative Arbeitszufriedenheit“ bezeichnen.

„Einen Dienst nach Vorschrift zu propagieren, der daraus oft resultiert, wäre ausgesprochen gefährlich, weil das jede Innovation verhindert.“ Rothe empfiehlt stattdessen lieber „proaktives Verhalten“ im Job. Studien haben nämlich gezeigt, dass die Zufriedenheit am Arbeitsplatz mit den Handlungsspielräumen wächst. „Geh an deine Grenzen, wenn dir die Arbeit Spaß machen soll“, müsse die Maxime sein. „In der Regel sind die Unternehmen heute interessiert an engagierten Mitarbeitern, die nicht auf Weisungen warten, sondern selbst aktiv werden.“ Die universitären Arbeitspsychologen setzen, anders als die Autoren des „Frustjobkillerbuches“, aber auch auf der Chefebene an: In Schulungen lernen Vorgesetzte, auch positive Rückmeldungen zu geben. In den Unternehmen hat sich bei der „Lobkultur“ aus Rothes Sicht in den letzten Jahren denn auch schon einiges zum Positiven gewandelt.

Wo man selbst sieht, dass eine Aufgabe gut erledigt ist, hat man es zudem gar nicht nötig, auf das Lob es Chefs zu warten. „Wenn das Auto wieder läuft, dann ist für den Kfz-Mechaniker die Bewertung seiner Arbeit von außen doch irrelevant“, sagt Rothe. Viele „partialisierte“ Tätigkeiten bieten diese direkte Sicht auf den eigenen Erfolg jedoch heute nicht, man fühlt sich eher wie ein kleines Rädchen im unverständlichen Getriebe. Den Arbeitspsychologen sind vor allem Dienstleistungen ein Dorn im Auge, in denen noch dazu unbeschränkte Dauerfreundlichkeit gefordert ist wie etwa in Callcentern. Und die leidige Frage, ob man genug verdient? Das „Frustjobkillerbuch“ hat eine Antwort: Ein Gehalt kann uns „immer nur so zufrieden machen, wie die Tricks unserer Psyche es zulassen“.

Adelheid Müller-Lissner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false