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Panorama: Ganz schön helle

Der Winter kommt. Den Bayern Toni Roiderer ficht das nicht an. In seinen Biergarten hat er eine Fußbodenheizung eingebaut

Es ist halt auf nix mehr Verlass. Und aufs Wetter schon gar nicht, denn entgegen der landläufigen Meinung fängt ein paar Kilometer südlich von München doch noch nicht Italien an. Da kommt erst mal Grünwald, wo die Reichen in ihren Villen sitzen, auf der anderen Seite der Isar Pullach, wo es bald keinen BND mehr gibt, und ein Stückchen weiter dann Straßlach, wo der Wirt Toni Roiderer seinen Gasthof „Am Wildpark" samt großem Biergarten betreibt.

Wenn das Wetter mitspielt. Das war in diesem Sommer der Fall. Aber was, wenn es jetzt kalt wird? „Da hob i de Kreativabteilung auspackt", sagt der Wirt. Warum sollte das, was nebenan im Münchner Olympiastadion geht, nicht auch bei ihm funktionieren? Eine Heizung unter dem Rasen also oder eben unter dem Granitsplitt, der den Boden in Roiderers Biergarten bedeckt. Mitarbeiter und Gäste waren zunächst mal skeptisch. Roiderer: „Zuerst haben alle gesagt: Du spinnst, so was geht nicht." Aber das haben auch alle gesagt, als er eine drehbare Bühne in sein Festzelt hat einbauen lassen, das er jedes Jahr auf dem Oktoberfest betreibt. Der Erfolg war überwältigend. „Und es geht eben doch", stellt Roiderer zufrieden fest.

Mit stolzgeschwellter Brust und allerlei Prominenz aus der Nachbarschaft hat er Deutschlands ersten Biergarten mit Fußbodenheizung in Betrieb genommen. Wenn nun die grimmige Kälte von den nahen Bergen herüberkommt, dann sorgt ein mit Erdgas betriebener 50-Kilowatt-Brenner für die nötige Wärme. Das Prinzip ist simpel: Die angesaugte Außenluft wird um etwa 45 Grad erwärmt, fließt durch Rohre, die im Kiesbett des Biergartens ausgebreitet sind, und strömt, an die 35 Grad warm, die Waden der Gäste hoch. Während man also oben die eine oder andere kühle Maß vom guten Hacker Pschorr Edelhell in sich hineinschüttet, bleibt es unten so angenehm warm, als hätte der Wirt eine Schüssel voll dampfender Kartoffelknödel zwischen die Haferlschuhe gestellt.

Und was ist, wenn es regnet? Kein Problem. Zufällig zählt auch der Kulissenbauer Rolf Zehetbauer, der in Grünwald wohnt, zu den Stammgästen von Roiderer. Zehetbauer hat für „Cabaret" 1972 einen Oscar gewonnen, er hat bei „Raumpatrouille Orion" die Bügeleisen an die Wand geklebt und „Das Boot" ausgestattet. Für den Biergarten „Am Wildpark" hat er nun eine 200 Quadratmeter große, weiße Markise mit Efeumuster entworfen, die bei Regen ausgefahren werden kann. „In zehn Minuten kann man den Biergarten in ein Zelt verwandeln, das von drei Seiten zu ist", schwärmt Roiderer.

Angesichts der geballten Technik stellt sich aber die Frage, ob man mit solchem Rundum-Komfort nicht Gefahr läuft, eine Art Schalke-Arena unter den Biergärten zu schaffen, die mit der in Bayern so gern beschworenen Urtümlichkeit nur noch herzlich wenig zu tun hat. Da sieht Juniorchef Thomas Roiderer allerdings kein Problem: „Fußbodenheizung und Markise sind ja nur für den Fall da, wenn´s Wetter grauslig wird. Ansonsten gibt es bei uns nur Holztische und Kastanien, die Schatten spenden. Keine Plastiktische oder -schirme." Und das Edelhell kommt sogar noch aus dem Holzfass.

Jörg Schallenberg[München]

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