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Panorama: „Gegen Bewaffnete können wir nichts machen“

Wie die großen Museen der Welt auf den Raub der Munch-Gemälde in Oslo reagieren

DEUTSCHLAND

Welche Konsequenzen ziehen Museen aus dem Raub von Oslo? In Berlin ist derzeit die wertvollste Kunstsammlung zu Gast. „Bei uns ist vorgebeugt“, heißt es in der Pressestelle des MoMA in Berlin . Mehr ist nicht zu erfahren. Für die Bewachung der über 200 Kunstwerke in der Neuen Nationalgalerie sind die Veranstalter verantwortlich; die Sicherheitsbehörden haben das MoMA vor Beginn der Ausstellung als wenig gefährdet eingestuft. Für die Versicherung der Bilder musste allerdings der Staat einspringen, weil eine Police unbezahlbar wäre. Ein Metalldetektor am Eingang, der Waffen aufspüren könnte, ist nicht zu sehen. Lediglich größere Taschen müssen abgegeben werden, und in jedem Raum sitzt ein Aufpasser. Beim Landeskriminalamt heißt es, dass einige Museen Berlins in den vergangenen Jahren ihre Sicherheitstechnik aufgerüstet hätten – etwa durch solidere Fenster und Türen oder eine Direktschaltung zur Polizei. „Aber bei Raub oder Geiselnahme hört’s einfach auf“, sagt Dezernatsleiter Andreas Grabinski. Trost des Sicherheitsexperten: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Beispiel aus Oslo Schule macht.“ Meisterwerke wie die von Munch seien wegen ihrer Bekanntheit unverkäuflich, die Strafen für Raubüberfälle hoch, und ein fanatischer Kunstsammler, der sich die Bilder an die heimische Wand hängt, sei den Berliner Behörden bisher nicht untergekommen.

Dagegen hat die Kunsthalle Schirn in Frankfurt am Main schon schlechte Erfahrungen gemacht: 1994 überwältigten Räuber einen Wachmann und erbeuteten einen Caspar David Friedrich sowie zwei Gemälde von William Turner. Dorothea Apovnik, Sprecherin der Kunsthalle, berichtet von umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen: Alarmanlagen für die Nacht, dazu mit der Wand verschraubte Rahmen, Lichtschranken und Bewegungsmelder vor den Bildern, Wachpersonal mit Notruftasten in jedem Raum – mit direktem Draht zur Polizei. „Wenn jemand die Leute mit einer Pistole bedroht, kann man vielleicht noch einen Alarmtaster erhaschen“, sagt Apovnik. Mehr sei kaum machbar. Die in Oslo geraubt Version von Munchs „Der Schrei“ war vor kurzem in der Hamburger Kunsthalle zu sehen. Deren Direktor Uwe M. Schneede „fragt sich nach jedem Überfall, ob das auch bei uns passieren könnte“ – und muss in diesem Fall feststellen: Ja. Denn Leibesvisitationen und Kontrollen wie auf dem Flughafen wolle man den Besuchern ersparen. obs

Die Kunsthalle in Emden plant ab 2. Oktober eine Munch-Ausstellung. Es war nicht geplant, den „Schrei“ oder die „Madonna“ zu zeigen. Die Sprecherin der Kunsthalle, Ilka Erdwiens, sagte, es seien keine zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen geplant. Die Sicherheitssysteme der Kunsthalle seien auf dem Stand der Technik und umfassten Videoüberwachung, Alarmanlagen, die sofort die Polizei mobilisierten, sowie Aufsichtskontrollen. Erdwiens sagte, wenn Räuber mit Waffen in die Kunsthalle eindrängen, könne man nichts machen. os

USA

Das MoMA in New York zeigte sich zugeknöpft. Seine Sprecherin Margaret Doyle sagte: „Zu solchen Fragen nehmen wir grundsätzlich keine Stellung.“ Das Metropolitan Museum in New York verriet, dass es über bewaffnete Sicherheitsleute verfügt. Sprecher Harold Holzer sagte, dass nach dem Vorfall in Oslo die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt würden. mbk

FRANKREICH

In Frankreichs berühmtestem Museum, dem Louvre in Paris , ist man wenig auskunftsfreudig. „Selbstverständlich bleiben unsere Sicherheitsmaßnahmen geheim“, sagte die zuständige Pressereferentin. „Kein Kommentar zu Oslo“, fügte sie hinzu. Bekannt ist lediglich, dass im Louvre die Methoden in puncto Sicherheit alle fünf Jahre auf den neuesten Stand gebracht werden. „Im kommenden Jahr ist es wieder so weit, der Schutz der Objekte, egal ob Bilder oder andere Ausstellungsobjekte, wird aktualisiert“, sagte sie. Weil schon seit Jahren alle Besucher ähnlich wie an Flughäfen einen Detektor passieren und ihre Taschen abgeben müssen, wird ein Szenario wie in Oslo für nahezu unwahrscheinlich gehalten. „A priori kann ein derart spektakulärer Raub bei uns nicht passieren.“ sah

ENGLAND

In der Tate Modern , einer der größten modernen Kunstsammlungen der Welt, hängen die Bilder ungeschützt in den Ausstellungsräumen, ein Überfall wie in Oslo wäre hier also möglich. Ein Sprecher der Ausstellung sagt: „Wir wissen auch nicht, wie man genau auf solche Diebstähle reagieren könnte.“ Welche Sicherheitsmaßnahmen angewandt werden, sagt er nicht. Ähnlich restriktiv ist die Informationspolitik beim British Museum . „Wir haben keine Polizei im Haus, sondern lediglich unbewaffnetes Wachpersonal“, sagte eine Sprecherin. Schlandt

SPANIEN

Ein Sprecher des Madrider Prados sagte: „Kein Kommentar. Das ist eine Anordnung von ganz oben.“ Auch vom Madrider Reina Sofia , in dem Picassos Meisterwerk „Guernica“ hängt, war gestern nichts zu erfahren. Die Direktion lehnte jeden Kommentar ab. „Die Museumsleitung wird sich auf gar keinen Fall zu diesem Thema äußern.“ Das Guggenheim in Bilbao war als einziges spanisches Museum zu einer Stellungnahme bereit. An den Einsatz von bewaffneten Polizisten in Zivil oder per Satellit verfolgbaren Computer-Chips, um die Kunstwerke bei Raub ausfindig machen zu können, wird demnach nicht gedacht. „Unsere Vorkehrungen sind absolut ausreichend“, erklärte eine Sprecherin. „Wir sind auf alles vorbereitet. Deshalb bleibt bei uns alles beim Alten.“ Tatsächlich ist das Guggenheim allerdings das am wenigsten gesicherte der drei großen Vorzeige-Museen. Zwar verfügt es ebenso wie Prado und Reina Sofia über private Sicherheitswächter mit Schlagstöcken am Eingang und über Museumspersonal, das in den Sälen aufpasst. Aber anders als in Madrid werden die Besucher und ihr Gepäck nicht durch Metalldetektoren wie auf den Flughäfen geschleust, sondern es gibt lediglich elektronische Anti-Diebstahl-Detektoren wie in Kaufhäusern. kli

ITALIEN

Ein Sprecher der Uffizien in Florenz erklärte, dass ein Raub wie jener von Oslo „absolut unvorstellbar“ wäre. Die Sicherheitsmaßnahmen seien „wie auf einem Flughafen“. Jeder Besucher muss durch eine Sicherheitsschleuse, die Waffen anzeigen würde. Wertvolle Bilder sind zudem fest an der Wand verankert oder durch Panzerglas geschützt. Die Alarmanlage sei „technisch auf dem letzten Stand“. Dagegen verweisen die Gewerkschaften darauf, dass der ständige Personalabbau die Sicherheit gefährde. elter

RUSSLAND

Die Tretjakow-Galerie in Moskau und die Eremitage in St. Petersburg bedauerten, dass den norwegischen Kollegen „offenbar Versäumnisse beim Schutz ihrer Kunstschätze“ unterlaufen seien. Zu Sicherungsmaßnahmen wollten beide Museen nichts sagen. „Wenn wir darüber in der Öffentlichkeit reden“, so Lidija Iowlewa, stellvertretende Direktorin der Moskauer Tretjakow-Galerie, „dann können wir Kunsträubern gleich den Museumsschlüssel in die Hand drücken“. win

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