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Panorama: Gene steuern die Lust auf Sex

Forscher: Es zählt nicht allein Erziehung

Unterschiede im Interesse für Sexualität haben wahrscheinlich eine solide genetische Grundlage und sind nicht allein das Ergebnis lustfeindlicher oder -förderlicher Erziehung. Zu diesem Schluss kommt eine israelische Forschergruppe nach der Untersuchung von 148 Studentinnen und Studenten, deren Ergebnisse jetzt in der Online-Ausgabe von „Molecular Psychiatry“ veröffentlicht wurden.

Die Psychologen, Mediziner und Neurobiologen um Richard Ebstein vom Herzog Memorial Hospital in Jerusalem befragten junge Leute über ihre sexuellen Wünsche und ihr tatsächliches Liebesleben – und sie machten zugleich molekulargenetische Untersuchungen. Dabei zeigte sich ein Zusammenhang zwischen einem Gen, das die Andockstelle für Signale des Hirnbotenstoffs Dopamin steuert, und der Erregbarkeit, Begierde und sexuellen Funktion. Eine Ausprägung dieses Dopamin-4-Rezeptor-Gens ging mit vermindertem, eine andere mit erhöhtem Interesse einher – wobei das eher gedämpfte Interesse sich bei 60 Prozent der Probanden zeigte. Die Forscher glauben, dass die Genvarianten, die die Basis für eine überdurchschnittliche Lust auf körperliche Liebe bilden, sich in der Menschheitsgeschichte erst relativ spät ausgebildet haben, nämlich „erst“ vor etwa 50 000 Jahren. Für den Fortbestand der Art sind sie offensichtlich entbehrlich.

Das hirneigene Belohnungssystem, das sich des Botenstoffs Dopamin bedient, ist schon länger im Fokus verschiedener Forscher. Speziell mit Unterschieden im Dopamin-D-4-Rezeptor-Gen werden seit einiger Zeit auch andere Temperaments- und Charaktermerkmale in Verbindung gebracht. So geht eine Variante, die 40 Prozent der Bevölkerung tragen, wie der Psychologe Manfred Laucht vom Mannheimer Zentralinstitut für seelische Gesundheit vor einiger Zeit herausfand, mit einem ausgeprägten Bedürfnis nach Abwechslung und Stimulation einher, als es die übrigen Altersgenossen zeigen. In einer Welt, in der die körperliche Liebe in den Medien dauerpräsent ist, halten viele die gedämpfte Begeisterung für Sex eher für eine Folge falscher psychischer Prägung oder einer organischen oder hormonellen Fehlfunktion, der mit Medikamenten beizukommen ist.

Adelheid Müller-Lissner

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