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Geothermie: Schlammvulkan statt Erdwärme?

Geothermie liefert saubere Energie. Die Risiken und Nebenwirkungen sind gering – aber verursachen öffentliche Aufmerksamkeit.

Sprudelnde Schlammvulkane unmittelbar neben dem hessischen Finanzministerium in Wiesbaden und große Risse in 140 Häusern der Kleinstadt Staufen am Fuße des Schwarzwalds, Erderschütterungen in Basel und in Landau in der Pfalz haben Erdwärme als klimaneutrale Energieform ins Gerede gebracht. Verbergen sich hinter der sanften Energie ungeahnte Risiken oder handelt es sich um Probleme, die gemeinhin als „Kinderkrankheiten“ bezeichnet werden und bei neuen Technologien bisweilen auftreten?

Ernst Huenges ist am Deutschen GeoForschungszentrum (GFZ) in Potsdam für die Energiequelle Geothermie verantwortlich. Das GFZ leitet ein europäisches Projekt, das solche Risiken zwischen Neapel, der Toskana, dem Bundesland Brandenburg und den Niederlanden unter die Lupe nimmt. „In Deutschland wurden bisher rund 170 000 Anlagen gebaut, die Wärme aus den oberen Schichten des Erdbodens holen, jedes Jahr kommen 30 000 oder 40 000 neue Anlagen dazu. Gravierende Fehlschläge wurden bisher nur in zwei Fällen bekannt, in Wiesbaden und in Staufen.“

Während in diesen Fällen allenfalls lauwarmes Wasser aus Tiefen zwischen 50 und 100 oder allenfalls 150 Metern nach oben gepumpt wird, bohrt der zweite Typ solcher Geothermiekraftwerke mindestens einen Kilometer, oft aber auch einige Kilometer in die Tiefe. „Da eine Bohrung bis in fünf Kilometer Tiefe leicht zehn Millionen Euro kostet, kommen solche Projekte nur für größere Gemeinden infrage“, erklärt Ernst Huenges. Mit dem mehr als hundert Grad heißen Wasser von dort kann dann nicht nur geheizt, sondern auch Elektrizität produziert werden. Die flachen Bohrungen dagegen sind eher für Einfamilienhäuser – oder eben das hessische Finanzministerium und deren Wärmebedarf geeignet. Beiden gemeinsam sind hohe Kosten für den Bau der Anlage. Sobald die Erdwärme aber sprudelt, fallen nur noch sehr niedrige Betriebskosten an. Nach einigen Jahren zahlen sich die Anfangsinvestitionen also aus.

Sobald sich die Bohrmeißel mehr als hundert Meter unter die Oberfläche fressen sollen, ist eine genaue Risikoanalyse notwendig, über die das zuständige Bergamt entscheidet. Bei Bohrungen bis hundert Meter gilt dagegen das Wasserrecht, für das meist die untere Naturschutzbehörde zuständig ist. „Die kennen ihren Untergrund recht gut“, sagt Huenges.

Von den Behörden angeordnete Vorsichtsmaßnahmen muss die Bohrfirma beachten. Gegen Geysire, wie sie am 7. November in Wiesbaden aus dem Boden schossen, kann man sich technisch wappnen. Das klappt normalerweise gut, das hessische Finanzministerium war schließlich der einzige „Fehlschlag“ beim Bau von bald 200 000 solcher Anlagen.

Mit größeren Schwierigkeiten haben dagegen die Stadtväter von Staufen am Fuß des Schwarzwaldes zu kämpfen. Dort brachten die Bohrungen Wasser im Untergrund mit Gipsschichten in Verbindungen. Feuchter Gips quillt auf, seither hebt sich der Boden der badischen Kleinstadt. Da diese Bewegung nicht gleichmäßig geschieht, haben zur Zeit 140 Häuser in der Altstadt kräftige Risse in den Wänden.

Bei tiefen Bohrungen nach Erdwärme treten ganz andere Probleme auf. Um die Energie der Tiefe nutzen zu können, muss man dort unten Wasser aufheizen. Viele Gesteine aber sind zu kompakt, um Wasser durchfließen zu lassen. Die Unternehmen pressen dann Wasser mit Hochdruck in den Untergrund, um Risse in das Tiefengestein zu sprengen. Dabei werden Mikroerdbeben ausgelöst, die an der Erdoberfläche überhaupt nicht zu spüren sind. In klassischen Erdbebengebieten wie dem Oberrheingraben aber können dadurch stärkere Erschütterungen ausgelöst werden. In Basel zur Jahreswende 2006/2007 waren sie zwar spürbar, haben aber keine Schäden angerichtet. In Landau in der Pfalz dagegen war die Geothermie-Anlage bereits in Betrieb, als im August 2009 Erschütterungen der Stärke 2,5 ausgelöst wurden. Diese aber lassen sich nicht einmal mehr spüren. „Bisher gibt es keine Hinweise, dass Geothermie-Projekte auch stärkere Erschütterungen auslösen könnten, die Schäden hervorrufen“, erklärt Huenges. Derzeit bereiten die Forscher eine Art „TÜV für Geothermie“ vor, der solche ohnehin seltenen Vorfälle verhindern soll.

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