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Panorama: Geschäfte in der Bar

Experten schütteln den Kopf, wo Boris Becker Verträge schließt, die ihn viel Geld kosten – heute fällt das Urteil im Sportgate-Prozess

Mal eben „locker aus der Hüfte“ habe er das Papier unterzeichnet, sagte Boris Becker – und der Richter staunte nicht schlecht. Schließlich geht es um 1,5 Millionen Euro. Für die wollte Becker aufkommen, wenn das Internet-Portal Sportgate rote Zahlen schreiben würde. So steht es auf einem Zettel, den Becker offenbar im Sommer 2000 einem Geschäftspartner in einer Bar in Washington unterschrieben hat – so ganz nebenbei. Es kam, wie es kommen musste: Sportgate, das vor allem den Breitensport repräsentieren sollte, ging ein Jahr später pleite, Becker war mit fünf Prozent beteiligt.

Keine gute Hand

Heute wird das Münchner Landgericht 1 voraussichtlich entscheiden, ob und wie viel der dreifache Wimbledonsieger den einstigen Betreibern des Internet-Projektes zahlen muss. Die Vorstellungen gehen weit auseinander, weshalb sich beide Seiten bei einem Gerichtstermin im September diesen Jahres nicht einigen konnten. So fordert der Insolvenzverwalter Hartwig Albers von Becker genau 1,5 Millionen Euro plus Zinsen und beruft sich dabei auf die ominöse Erklärung aus der Washingtoner Bar.

Boris Becker und seine Anwälte hingegen behaupten, dass diese Unterschrift lediglich dem Sportgate-Initiator Paulus Neef, einst Chef der bekannten Internetfirma Pixelpark, als Sicherheit dienen sollte, um Investoren für das Sport-Portal zu gewinnen.

Insofern sei die Erklärung zeitlich begrenzt gewesen. Trotzdem konnte der Vorsitzende der Zivilkammer, Richter Stefan Bischoff, die Entstehung des Papiers nicht recht begreifen: „Ich kann nicht nachvollziehen, was sie sich vorgestellt haben, wenn etwas schief geht. Das ist doch kein Taschengeld, auch wenn man über ein viel größeres Vermögen verfügt.“ Becker konterte einigermaßen originell: „Wir waren nicht von Juristen umgeben.“ Der Richter schüttelte den Kopf: „Ich habe den Eindruck, Sie haben sich nicht viel dabei gedacht.“ Trotz des für Becker peinlichen Dialogs am letzten Verhandlungstag zweifelte das Gericht aber die Forderungen des Insolvenzverwalters an, zumal nach der Pleite lediglich ein Fehlbetrag von einer halben Million Euro ausgewiesen worden war. Richter Bischoff schlug einen Vergleich vor, der unter 300000 Euro liegen sollte, doch der Insolvenzverwalter lehnte ab.

Ganz gleich aber, wie das Münchner Landgericht heute auch entscheiden wird, für Boris Becker stellt das Verfahren einen weiteren Tiefpunkt seiner anhaltenden geschäftlichen, sportlichen und privaten Pechsträhne nach seinem Karriereende 1999 dar. Nachdem Becker damals gegen den Australier Patrick Rafter im Viertelfinale von Wimbledon einen umjubelten Abschied gefeiert hatte, gelang ihm abseits des Platzes so gut wie gar nichts mehr. Seine Agentur Boris Becker Marketing, die Sportstars vermarkten sollte, wurde schnell wieder aufgelöst. Mit dem deutschen Profi-Nachwuchs wie Thomas Haas und Nicolas Kiefer, den er eigentlich an sich binden wollte, überwarf er sich, als Kapitän des Davis-Cup-Teams wollte man ihn auch nicht so recht haben. Beckers als hochseriös und konservativ geltender Berater Axel Meyer-Wölden starb 1997, danach vertraute er falschen Einflüsterern.

Pechsträhne

Der Biokost-Versand New Food, bei dem er beteiligt war, ist pleite. Seine Mercedes-Autohäuser in Mecklenburg-Vorpommern standen mehrfach zum Verkauf, dazu lief auch privat alles schief: Die Scheidung von seiner Frau Barbara plus Unterhalt für die beiden Söhne und die uneheliche Tochter aus der Londoner Wäschekammer-Affäre kosteten Becker an die 20 Millionen Euro. Schließlich verurteilte ihn das Münchner Landgericht im Oktober 2002 wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und Zahlung einer Geldstrafe von 500000 Euro. Der Grund: Becker soll von 1991 bis 1993 statt im Steuerparadies Monaco hauptsächlich in München gewohnt haben. Den Weg in den Gerichtssaal kennt er also nur allzu gut. Immerhin: Beckers Autobiografie verkauft sich glänzend. Es fragt sich nur, wie die nächsten Kapitel geschrieben werden.

Jörg Schallenberg[München]

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