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Gesundheit: Allergien: Die gelbe Gefahr

Die früheste Darstellung, die wir kennen, stammt aus dem Jahr 2800 vor Christus: Auf dem Sarkophag des ägyptischen Pharao Menes findet sich eine Szene, die eine Insektenstichallergie mit tödlichem Ausgang darstellt. Auch wenn Allergien immer wieder als moderne "Zivilisations"-Krankheiten angesehen werden: Die seltenen, bedrohlichen Formen, die sie annehmen können, beeindrucken die Menschen offensichtlich schon seit Jahrtausenden.

Die früheste Darstellung, die wir kennen, stammt aus dem Jahr 2800 vor Christus: Auf dem Sarkophag des ägyptischen Pharao Menes findet sich eine Szene, die eine Insektenstichallergie mit tödlichem Ausgang darstellt. Auch wenn Allergien immer wieder als moderne "Zivilisations"-Krankheiten angesehen werden: Die seltenen, bedrohlichen Formen, die sie annehmen können, beeindrucken die Menschen offensichtlich schon seit Jahrtausenden. Und die Dramatik, die entsteht, wenn ein winziges Tier einen Menschen kraft seines Gifts tötet, erschreckt heute genauso.

Die Tierchen gehören wie die Honigbienen und die Hummeln zur Familie der Apiden, sind Vespiden wie die Wespe und die Hornisse oder Myrmicidae wie die verschiedenen Ameisenarten. Die Ameisen, die in unseren Breiten leben, haben allerdings ihren Stachel weitgehend eingebüßt. Doch ihre mittelamerikanischen und australischen Verwandten stechen weiterhin ordentlich zu.

Für die allermeisten Menschen ist nach einem Bienen- oder Wespenstich nur eine mehr oder weniger schmerzhafte, juckende Rötung und Schwellung die Folge. Dann genügt Abwarten oder der Einsatz einfacher Hausmittelchen: Wenn der Stachel noch steckt - was wegen der zahlreichen Widerhaken meist bei dem der Biene der Fall ist -, sollte er vorsichtig entfernt werden. Dafür eignen sich Pinzette, Fingernagel, Messer oder sogar, sollte der Ort des Geschehens ein Gartenlokal sein, die Kreditkarte. Ausdrücken sollte man den Stachel nicht, denn dann könnte aus dem angehängten Giftsack noch eine Restportion entweichen. Ansonsten sollten Wunde und Mensch möglichst cool bleiben, wobei Eiswürfel oder kühlende feuchte Umschläge gute Dienste leisten können.

Ist die Schwellung größer, erfasst sie ganze Körperteile und hält sie länger an als den üblichen Tag nach dem Stich, dann sprechen Allergiespezialisten von einer "verstärkten Lokalreaktion". Sie ist ein Hinweis darauf, dass sich eine allergische Reaktion gegen das Insektengift entwickelt hat, die bei weiteren Kontakten zu ernsteren Beeinträchtigungen führen könnte, etwa zu einem Ausschlag am ganzen Körper oder einer Schwellung im Gesicht. Durch den ersten Stich wurde der Körper sensibilisiert: Körpereigene Abwehrzellen produzieren dann spezifische Antikörper gegen Eiweißsubstanzen im Gift.

Diese Antikörper setzen beim nächsten Kontakt mit den Eiweißstoffen eine Kaskade von Reaktionen in Gang. Histamin, die wichtigste Mittlersubstanz allergischer Reaktionen, löst die bekannten allergischen Reaktionen aus. Von solchen überschießenden Antworten des Körpers auf das "an sich" harmlose Insektengift sind weniger als vier Prozent der Bevölkerung betroffen. Besonders gefährdet sind Imker, die berufs- oder hobbyhalber intensiven Kontakt zur Familie der Apiden pflegen.

Die seltenste, aber auch bedrohlichste Folge ist der "anaphylaktische Schock", also die überschießende Reaktion des Immunsystems auf den Fremdstoff, die wahrscheinlich auf dem Sarkophag des Pharao dargestellt ist: Wenige Minuten nach dem Kontakt mit dem Auslöser-Gift werden die Gefäße weitgestellt. Der Blutdruck fällt drastisch ab, wichtige Organe werden nicht ausreichend durchblutet. Vorzeichen sind oft Hautrötungen und ein Kribbeln im Mund, an den Handflächen und auf der Kopfhaut. Schwindel, Herzjagen und Übelkeit können folgen. Am gefährlichsten ist die Atemnot, die durch eine Verkrampfung der Bronchialmuskulatur entsteht.

Was tun? Falls der Betroffene nicht aus leidvoller früherer Erfahrung schon ein Notfallset zur Hand hat, muss ein Notarzt das körpereigene Hormon Adrenalin spritzen, das zu einer Engstellung der Gefäße führt. Außerdem kommen Antihistaminika, die die weitere Freisetzung der Mittlersubstanz stoppen, Kortison und atemwegserweiternde Mittel zum Einsatz.

Da man Bienen und Wespen trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nicht zuverlässig aus dem Weg gehen kann, ist anschließend die Hyposensibilisierung die wichtigste Maßnahme, eigentlich eine Art Umerziehungsprogramm für das körpereigene Abwehrsystem. Dafür wird das Allergen, in diesem Fall also das fragliche Gift, nach und nach in immer höherer Dosierung gespritzt, bis das Immunsystem "umgelernt" hat und sich beim Kontakt mit der Substanz friedlich verhält. Bei leichteren Allergien wird diese aufwändige Maßnahme heute eher kritisch gesehen. Doch für Menschen, die schon wissen, dass sie nach Insektenstichen von allergischen Reaktionen oder gar vom anaphylaktischen Schock bedroht sind, sieht die Sache anders aus. "Wir empfehlen die Hyposensibilisierung allen Patienten, die allergische Reaktionen auf Insektenstiche gehabt haben", sagt die Allergologin Beate Tebbe, Oberärztin am Universitätsklinikum Benjamin Franklin. Dabei können die Allergiespezialisten sich inzwischen auch auf eine Langzeitstudie stützen: Sie untermauert wissenschaftlich, dass der Immunschutz mindestens zehn Jahr anhält. Ob das Immunsystem nach dem Stich tatsächlich verrückt spielt oder ob nur eine harmlose Lokalreaktion vorliegt, muss vor der Behandlung allerdings sorgfältig durch Haut- und Bluttests ermittelt werden.

Auch wenn der Wespenstich dann nicht mehr lebensbedrohlich ist: Ein bisschen "Wespenpsychologie" ist immer von Nutzen, als Vermeidungsstrategie. Grelle Farben, betörende Düfte, offene Coladosen und nicht zuletzt der Bienenstich auf der Kaffeetafel locken die Insekten an, heftige Bewegungen, mit denen sie abgewehrt werden sollen, führen dazu, dass sie sich bedroht fühlen.

Adelheid Müller-Lissner

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