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Gesundheit: Altersgrenze: Von 100 auf 85 Jahre

Wir werden immer älter. Aber wo liegt die Grenze?

Wir werden immer älter. Aber wo liegt die Grenze? 1997 starb die Französin Jeanne Calment mit 122 Jahren und sieben Monaten - das höchste jemals dokumentierte und nur von ein paar Skeptikern bestrittene Alter. Schon größer ist der Chor der Zweifler, wenn es um die durchschnittliche Lebenserwartung geht. Sie soll bei Menschen, die in diesem Jahrhundert geboren werden, 100 oder sogar 120 Jahre betragen. Nach Ansicht von Jay Olshansky von der Universität von Illinois sind solche Hoffnungen allerdings übertrieben.

Die durchschnittliche Lebenserwartung dürfte sich in diesem Jahrhundert in den Industrienationen bei etwa 85 Jahren einpendeln, schätzt Olshansky. Für die USA prophezeit er "100 Jahre für jeden" dagegen erst für das 26. Jahrhundert, die jetzigen Steigerungsraten vorausgesetzt. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden schätzt, dürfte ein heute in Deutschland geborener Junge etwa 74,4 Jahre, ein Mädchen 80,3 Jahre alt werden.

Infektionen im Griff

Unser gestiegenes Lebensalter erklärt sich vor allem aus der Tatsache, dass in den Industrieländern die Infektionskrankheiten weitgehend im Griff sind und die Kindersterblichkeit dementsprechend gering ist. Viel schwieriger ist es dagegen aus mediznischer Sicht, das Leben von Menschen jenseits der 70 zu verlängern. Um eine Lebenserwartung von 100 Jahren zu erreichen, müssten "nahezu alle lebensbedrohlichen Risiken bis zum 85. Lebensjahr aus der Welt geschafft werden", schreibt Olshansky im amerikanischen Fachblatt "Science" (Band 291, Seite 1). Der Wissenschaftler stellte seien Arbeit auch auf dem Kongress der Amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (AAAS) am Wochenende in San Francisco vor.

Beim Berechnen der Lebenserwartung dürften nicht nur mathematische, sondern müssten auch biologische Gesichtspunkte berücksichtigt werden, fordert der Gesundheitsexperte. Genau genommen auch ökonomische, kann man hinzufügen, denn mit dem Bruttosozialprodukt einer Nation steigt auch die Zahl der Lebensjahre ihrer Bevölkerung.

Ein gesunder Lebensstil werde niemals ausreichen, um auf eine dreistellige Zahl von Lebensjahren zu kommen, schreibt Olshansky. Nur bahnbrechende medizinische Fortschritte könnten daran etwas ändern. Für Olshansky muss nun neben der reinen Lebenserwartung auch die "Gesundheitserwartung" ins Zentrum der Diskussion rücken - also die Möglichkeit, dem Leben nicht nur Jahre, sondern den Jahren auch (möglichst gesundes) Leben zu geben.

Andere Forscher unterstützten auf der amerikanischen Wissenschaftlertagung in San Francisco die Meinung, eine Lebenserwartung von 120 Jahren oder mehr sei nach heutigem Erkenntnisstand nicht realistisch. "Eine extreme Langlebigkeit ist einfach nicht möglich", sagte Leonard Hayflick von der Universität von Kalifornien in San Francisco. Selbst wenn die Haupttodesursachen, wie zum Beispiel Krebs, Herzinfarkt und Schlaganfall, beseitigt würden, würde die Lebenserwartung um nicht mehr als 15 Jahre steigen, glaubt Hayflick.

Altern sei ein Verfall auf molekularer Ebene, der Menschen zunehmend anfälliger für Krankheiten mache. Der Mensch sei von Natur aus so beschaffen, dass er mit 20 Jahren körperlich auf dem Höhepunkt sei, um die Fortpflanzung zu gewährleisten.

"Man müsste die über Jahrmillionen gewachsene biologische Grundstruktur des Menschen ganz fundamental verändern, wollte man Alterungsprozesse, Alterskrankheiten und Sterblichkeit des Menschen überwinden", sagt auch Holger Höhn, Humangenetiker an der Universität Würzburg. Viele Umweltfaktoren und Gene seien am Altern beteiligt. So gibt es Gene, die im jugendlichen Alter die Fortpflanzung begünstigen, im höheren aber zum Risiko für ihren Träger werden. Andere Gene schaden ihrem Besitzer erst in höherem Lebensalter, also dann, wenn er sich bereits fortgepflanzt hat. Damit ist auch die nächste Generation genetisch "belastet".

Radikale bei 37 Grad

Mit zunehmendem Alter häufen sich Veränderungen in unserem Erbgut; "gute" Gene fallen aus, "falsche" werden angeschaltet. Auch diese Tatsache ist unausweichlich, denn unsere vergleichsweise hohe Körpertemperatur von 37 Grad macht die Erbsubstanz DNS anfällig für Mutationen. Einen ähnlichen Effekt haben die "freien Radikale", aggressive Sauerstoffmoleküle, die ständig an der DNS "nagen". "Eine Lebensverlängerung auf 150 Jahre bleibt also Science fiction", sagt Höhn.

Vom Zahn der Zeit ein wenig mehr verschont bleiben allerdings unsere Keimzellen, die Eizellen der Frau und die Spermien des Mannes. Anders als wir selbst sind sie potenziell unsterblich. Ein Grund dafür könnte ihre besondere Art der Vermehrung sein, Meiose genannt. Während dieses Vorgangs schmiegen sich gleiche Chomosomen (die Träger der Erbinformation) aneinander. Deshalb können in dieser Phase Schäden am Erbgut viel besser als in den Körperzellen repariert werden. Jede neue Generation kann also mit einem intakten Genom den Lauf ins Leben beginnen. Aber irgendwann muss auch sie die Fackel des Lebensfeuers an die nächste weitergeben.

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