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Gesundheit: An die Nieren

Hartmut Wewetzer über ein verkanntes Organ Der Ökumenische Kirchentag ist zwar schon fast eine Woche vorbei. Trotzdem gilt es, hier ein kleines Mirakel zu feiern: das Wunder der Niere.

Hartmut Wewetzer über

ein verkanntes Organ

Der Ökumenische Kirchentag ist zwar schon fast eine Woche vorbei. Trotzdem gilt es, hier ein kleines Mirakel zu feiern: das Wunder der Niere. Die Nieren sind die Kläranlage des Körpers. Aber sie sind noch viel mehr. Sie entgiften nicht nur, sie steuern auch den Salzhaushalt des Körpers, regulieren den Kreislauf und bilden Hormone.

Es ist also nur recht und billig, dass auch die Nierenfachärzte ihren Kirchentag haben und nächste Woche in Berlin zu ihrem Weltkongress zusammenkommen. Dabei pflegen sie das offene Wort: „Seien wir doch ehrlich: Als Nephrologen denken wir einen großen Teil unseres Arbeitstages über Urin nach“, bekennt der amerikanische Nierenexperte Jared Grantham. „Wir fragen uns, wie der Urin gebildet wird und warum manche Patienten das nicht mehr anständig können.“

Schön und gut, sagt Grantham – aber Urin „hat eine ganz schlechte Presse“. Zu Unrecht. Denn eigentlich ist er ein HighTech-Produkt.

Wie die Nieren uns von den Stoffwechselschlacken befreien und zugleich den Mineralienhaushalt des Körpers in der Balance halten, das ist ein Beispiel für perfekte Nanotechnik – aus dem Labor der Natur.

Zunächst strömt das Blut durch mikroskopisch feine Gefäßknäuel. Jede Niere besitzt eine Million dieser Filterapparate, Nierenkörperchen oder Glomeruli genannt. Sie sitzen in der Nierenrinde und filtern jeden Tag 180 Liter Wasser aus dem Blut ab.

Der zweite Schritt. Diese 180 Liter fließen nun durch ein Kanalsystem, das unterhalb der Nierenrinde liegt. Hier wird der Urin auf 1,5 Liter konzentriert. Und alles, was nicht in den Körper gehört, rinnt am Ende in die Toilette.

Aber das System Niere ist nicht unverwundbar. Die meisten Nierenleiden haben zwei Hauptursachen: Zucker und hohen Blutdruck. Beides schädigt auf Dauer den empfindlichen Apparat. Die häufigste Ursache für Nierenversagen ist Diabetes. Der erhöhte Blutzucker des Diabetikers lässt den feinmaschigen Filter der Nierenkörperchen aufquellen.

Die Folge: Die Nieren werden „undicht“, verlieren wichtige Eiweißstoffe und können Stoffwechselschlacken immer weniger ausfiltern. Am Ende stehen Nierenversagen, der Anschluss an die künstliche Niere oder eine Organtransplantation.

Faktor zwei: zu hoher Blutdruck. Der führt zur Verkalkung der Nierengefäße und verschlechtert die Durchblutung der Nieren. Das wiederum lässt sich die Niere nicht gefallen und erhöht ihrerseits über die Ausschüttung verschiedener Hormone den Blutdruck – ein Teufelskreis.

Das Hauptproblem: Nierenleiden werden viel zu spät festgestellt. Vor allem der „Alterszucker“ tarnt sich hervorragend – manchmal wird er erst entdeckt, wenn die Nieren schon streiken. Die Nierenspezialisten sprechen von einer „unerkannten Epidemie“.

Und jetzt die gute Nachricht: Man kann etwas tun. Der Zucker im Blut kann mit Diät und Medikamenten gesenkt werden. Auch der Blutdruck muss runter. Blutdrucksenkende Mittel wie die ACE-Hemmer haben dabei sogar noch einen nierenschützenden Effekt – zwei Fliegen mit einer Klappe. „Wir können die Nierenschwäche nicht in jedem Fall verhindern“, sagt der Nephrologe Kai-Uwe Eckardt von der Berliner Charité. „Aber wir können sie erheblich verlangsamen oder sogar zum Stillstand bringen.“

Ein guter Grund also für die Nierenspezialisten, um nicht in Gram zu versinken. Trotz der schlechten Presse.

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