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Gesundheit: An Ost-Gymnasien werden Jungen knapp

Pisa-Studie: In Brandenburg sinkt ihr Anteil auf 42 Prozent – eine Ursache könnte das Sozialverhalten sein

An Deutschlands Gymnasien sind die Mädchen in der Überzahl. Das ist durchschnittlich in allen Bundesländern so. Doch in den ostdeutschen Bundesländern sind die Jungen noch weniger vertreten als im Westen. Das zeigt die neue Analyse der Schuluntersuchung Pisa durch das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, die am Donnerstag offiziell von den Kultusministern in Berlin vorgestellt werden soll.

Zu der unterschiedlichen Bildungsbeteiligung der Geschlechter fanden die Wissenschaftler heraus: Während beispielsweise 48 Prozent der Schüler in den neunten Klassen der Hamburger Gymnasien Jungen sind, sind es in Brandenburg nur 42 Prozent. Damit liegt Brandenburg an der letzten Stelle der Ländertabelle, in der aber alle ostdeutschen Bundesländer geschlossen die letzten fünf Plätze einnehmen. In keinem davon erreichen die Jungen an den Gymnasien einen Anteil von 44 Prozent. Berlin, das ja von seiner Geschichte her zu Ost wie West gehört, belegt exakt den Platz zwischen den beiden Ländergruppen.

Die Forscher hatten bereits festgestellt, dass in fast allen Ländern die Mädchen einen deutlich besseren Leistungsstand beim Lesen erreichen als die Jungen – diese können dem aber in Ostdeutschland nur einen geringen Leistungsvorsprung in den Naturwissenschaften entgegensetzen.

Doch woran liegt es, dass die ostdeutschen Mädchen das Nadelöhr zum Gymnasium erfolgreicher passieren? Sind sie einfach klüger? Als eine mögliche Erklärung sehen die Wissenschaftler, dass die Förderung der Jungen in der Grundschule unterschiedlich erfolgreich ist. Bei der Entscheidung über die weiterführende Schulform erhielten zudem die sprachlichen Leistungen unterschiedlich großes Gewicht. Je mehr sich die Waage zugunsten der Sprache neigt, desto besser für die Mädchen.

Besser in den Naturwissenschaften

Die Ursachen für Erfolg und Misserfolg könnten allerdings auch im Sozialverhalten liegen. Dabei schneiden die Jungen genau in den Ländern, in denen sie auch relativ schwach am Gymnasium vertreten sind, besonders ungünstig ab. Eine wissenschaftlich fundierte Erklärung wollen die Wissenschaftler allerdings erst dann geben, wenn die Forschung neben der Querschnitt-Untersuchung eine Längsschnitt-Dimension erschlossen hat, also mit den Ergebnissen der nächsten Pisa-Runden.

Deutliche Unterschiede zwischen Ost und West haben sich auch nach zwölf Jahren deutscher Einheit im naturwissenschaftlichen Unterricht gehalten. Interessant für die Wissenschaftler war dabei auch, dass die ostdeutschen Schüler im internationalen Teil von PisaI deutlich schlechter abgeschnitten haben als im nationalen, die westdeutschen dagegen in beiden Testteilen etwa gleiche Ergebnisse erzielten. Die Analyse ergibt, dass die ostdeutschen Schüler vor allem in Biologie einen Leistungsvorsprung haben. Sie verfügen sicherer über Faktenwissen und können Konzeptwissen besser anwenden.

Die deutlichsten Unterschiede gibt es beim Unterricht: Vor allem bekommen die ostdeutschen Schüler in den testrelevanten Themen „früher und gründlicher“ Unterricht. Und – eventuell aufschlussreich für Lehrer im Westen – die Schüler können ihr Wissen stärker mit Hilfe von Wiederholungsstrategien erwerben und in der Folge besser anwenden. Denn das ist ja die Besonderheit von Pisa: Getestet wird weniger Abfrag-Wissen, sondern vor allem, wie gut Schüler ihr Wissen zur Lösung alltagsnaher Fragen einsetzen können. Von den nächsten Pisa-Tests erhoffen sich die Bildungsforscher nun stärker Aufschluss über die Wirkung unterschiedlicher Unterrichtsformen.

Überraschend zeigt sich ein Ost-West-Gefälle auch im Sozialverhalten. Die 15-Jährigen aus Nordrhein-Westfalen, Bremen, Baden-Württemberg und Bayern zeigen große Bereitschaft, sich gesellschaftlich zu engagieren. Die geringste Bereitschaft dazu fanden die Forscher bei den Jugendlichen in Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen.

Verunsicherte Schüler

Für diese Unterschiede machen die Wissenschaftler insbesondere die schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen in den neuen Bundesländern verantwortlich. Dazu kommen die Schwierigkeiten der Umstellung nach der Wende. „Hier treffen erschwerte schulische Arbeitsverhältnisse zusammen mit einer Schülerschaft, die möglicherweise in besonderer Weise sozialen Verunsicherungen ausgesetzt ist“, so die Erklärung.

Die Schulforscher betonen, dass die effektive Vermittlung von sozialem Verhalten nicht auf Kosten der Fachleistungen gehen muss. Sie zeigen dies an einer Verknüpfung von Lesekompetenz und Verantwortungsbereitschaft. Das können – der Untersuchung zufolge – besonders Bayern und Baden-Württemberg erfolgreich verbinden.

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