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Gesundheit: „Attraktive Studienplätze schaffen“

Bundesbildungsministerin Annette Schavan erklärt, wie der Pakt den Studierenden helfen soll

Frau Schavan, eine neue Welle von Studierenden steht bevor. Nach mühseligen Verhandlungen haben Bund und Länder sich nun auf einen Pakt für Studienplätze geeinigt. Die Hochschulrektoren kritisieren jedoch, die veranschlagten Kosten pro Studienplatz seien viel zu niedrig. Außerdem vermissen sie Planungssicherheit für die Zeit nach 2010, wenn die Welle erst ihrem Höhepunkt entgegenläuft. Müssen die nächsten Studierendengenerationen also auch auf dem Boden im Hörsaal sitzen?

Nein. Denn unbestritten ist, dass die Hauptverantwortung bei den Ländern liegt. Der Bund hat sich auf die Durchschnittskosten und die Zahl der Studienanfänger konzentriert. Den Ländern ist bewusst, dass darüber hinaus die Modernisierung des Wissenschaftssystems Kosten verursacht, die in ihrer Verantwortung liegen.

Bund und Länder teilen sich die Kosten. Um das zu erreichen, mussten Sie erheblichen Druck ausüben und den 20. November als Ultimatum festsetzen.

Ich habe die letzte Runde der Verhandlungen nicht als Ultimatum empfunden. Die Ausgangslage der Länder war höchst unterschiedlich. Wir wollten erreichen, dass nicht nur der Ausbau, sondern auch der Erhalt von Studienplätzen in den neuen Ländern berücksichtigt wird. Dazu bedurfte es eingehender Beratungen der Länder. Der Hochschulpakt soll ja keine Absichtserklärung sein, sondern ein verbindlicher Pakt.

Monika Grütters, Bundestagsabgeordnete der CDU, hat im Vorfeld öffentlich heftige Kritik an den Kultusministern geübt und von „haltlosen Länderegoismen“ gesprochen. Haben Sie das auch so gesehen?

Nein. Ich habe in der Zeit der Verhandlungen deutlich den Willen der Länder gespürt, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Wenn innerhalb von wenigen Monaten ein solch umfassender Pakt zustande kommt, kann von Egoismen keine Rede sein. Der Pakt ist ein Meilenstein für die Entwicklung der Hochschulen.

Nur mit Berlin gibt es noch keine Einigung. Berlin sieht sich nicht in der Lage, für vier Prozent der Mittel 19.500 Studienanfänger aufzunehmen, wie alle anderen Länder und der Bund es erwarten. Muss der Bund nicht gerade nach dem Karlsruher Urteil für Berlins Position Verständnis aufbringen?

Berlin ist im Blick auf die Senatsbildung in einer Übergangszeit. Deswegen war es für die jetzigen Verhandlungspartner schwer. Im jetzigen Bericht ist klar dargelegt, unter welcher Voraussetzung Berlin am Hochschulpakt teilnimmt. Wenn diese nicht erfüllt wird, werden auch entsprechend keine Finanzmittel fließen können. Die Situation ist für Berlin offen gehalten. Das Angebot ist fair.

Der Hochschulpakt war überhaupt nur möglich, weil die SPD sich in der Föderalismusreform durchgesetzt hat. Nur durch diese Intervention darf der Bund den Ländern jetzt auch Geld für die Lehre an den Hochschulen geben. Als Kultusministerin hatten Sie immer auf die Länderhoheit in Bildungsfragen gesetzt. Sind Sie jetzt froh, dass die SPD sich hier durchgesetzt hat?

Der Pakt enthält zwei Säulen, eine für die Lehre, eine für die Forschung. Wie Bund und Länder hier beteiligt sind, macht deutlich, wo jeweils die Schwerpunkte liegen. Das sehe ich heute nicht anders als vorher. Im Übrigen ist die Prognose über die steigenden Studierendenzahlen eine so wichtige Chance für Deutschland insgesamt, dass man einen wie auch immer gearteten Weg hätte finden müssen, um diese Chance zu nutzen. Zweifellos ist die jetzige Formulierung des Artikels 91b des Grundgesetzes eine Hilfe.

Der Großteil der Bundesmittel im Hochschulpakt, 700 Millionen Euro, geht in die Forschung. Warum müssen die Länder hier keinen eigenen Beitrag leisten?

Mir war wichtig, dass die Länder sich auf den Ausbau und den Erhalt der Studienplatzkapazitäten konzentrieren können. Hinzu kommt, dass die Programmkostenpauschale Teil des Koalitionsvertrages der Bundesregierung ist. Er soll die universitäre Forschung stärken. Das ist auch eine Voraussetzung für die Umsetzung der Hightech-Strategie. Daher ist es jetzt für den Bund wichtig, hier den Einstieg zu leisten und international aufzuschließen.

Die Hochschulen im Osten bekommen Geld, damit sie ihre Überkapazitäten nicht abbauen. Wie wollen Sie organisieren, dass die Studierenden aus den überfüllten Westländern dort hingehen?

Mit dem Hochschulpakt wird eine Imagekampagne für die neuen Länder verbunden sein. Wir müssen deutlich machen, dass dort sehr attraktive Studienplätze vorhanden sind. Hinzu kommt, dass Hochschulen in alten Ländern auch selbst Kontakt mit Hochschulen in den neuen Ländern aufnehmen werden, um zu kooperieren. Zum Beispiel steht Karlsruhe im Kontakt mit Dresden. So hat man auch die Möglichkeit, Studierende, die an der einen Uni nicht untergekommen sind, auf ein vergleichbar attraktives Angebot an der Partnerhochschule aufmerksam zu machen. Generell gilt aber für alle Länder, dass es zu einem Abgleich zwischen Studienwünschen der Bewerber und dem Angebot kommen muss, um die Kapazitäten dann auch tatsächlich auszuschöpfen. Das lässt sich nicht planwirtschaftlich festlegen. Das braucht Beweglichkeit und gute Informationen für Studierende, welches Studium im Hinblick auf die Berufschancen besonders attraktiv ist.

Für die Stadtstaaten bleibt das Problem bestehen, dass hier sehr viele Studierende aus anderen Bundesländern eingeschrieben sind, die auf Kosten dieser Städte studieren. Kann das auf Dauer so bleiben?

Das ist eine Frage, die zwischen den Ländern auszumachen ist. Tatsache war immer, dass eine Stadt wie Hamburg für die umliegenden Flächenländer ein Zentrum der Wissenschaft ist. Die Stadtstaaten wissen, dass Studierende nicht nur als Kostenfaktor zu sehen sind, sondern als Chance für die Entwicklung der eigenen Stadt. Das gilt übrigens auch für Berlin. Es muss sich in allen Regierungen die Überzeugung noch stärker ausbilden, dass der weltweite Innovationswettbewerb vor allem ein Wettbewerb um Talente ist. Wer die meisten in seine Stadt bringt, hat auch die besten Chancen.

Die Länder haben sich schwer damit getan, Millionen zur Bewältigung des Studentenbergs bis 2010 bereitzustellen. Was passiert nach 2011, wenn es um jährliche Summen von über zwei Milliarden Euro geht?

Dann gilt es, die gleiche Entschlossenheit zu zeigen wie am Beginn dieser Legislaturperiode. Wir haben ein Paket von Maßnahmen für Wissenschaft und Forschung beschlossen: Dazu gehören die Exzellenzinitiative, der Pakt für Forschung und Innovation, die Hightech-Strategie und nun der Hochschulpakt. Das sind vier große Schritte, die Deutschland als Wissenschafts- und Forschungsstandort noch attraktiver machen. Das ist unser Beitrag zur Lissabon-Strategie. Die Dynamik in anderen Regionen der Welt verpflichtet uns, auch langfristig den Wissenschaftsstandort zur politischen Priorität zu erklären.

Das Interview führten Anja Kühne und Uwe Schlicht.

Annette Schavan (51) ist seit einem Jahr Bundesforschungsministerin. Davor war sie zehn Jahre lang Bildungsministerin in Baden-Württemberg. Schavan gehört zum CDU-Bundesvorstand.

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