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Gesundheit: Auf zur neuen Legende

Disko, Kneipe, DDR: In der Kulturbrauerei wird heute die Wiedereröffnung des „frannz“ gefeiert

Von Lars von Törne Die alten Veteranen wissen nicht so genau, was sie davon halten sollen. „Sieht alles ziemlich clean aus“, findet Peter Thinius nach seinem ersten Rundgang durch die neuen Räume an der Schönhauser Allee, „das muss erst mal Patina ansetzen.“

Fast 20 Jahre seines Lebens, von 1978 bis zur sanierungsbedingten Schließung vor sieben Jahren hat Thinius in dem legendären FranzClub in Prenzlauer Berg Musik von den Rolling Stones und Steppenwolf, den Puhdys und Birth Control aufgelegt, er hat in dem Laden zwischen Tanzraum und Bar Platten verkauft, er hat Bands für die täglichen Konzerte mit ausgewählt. „Das war unser zweites Wohnzimmer“, sagt der 53-Jährige.

Heute Abend macht der Franz renoviert und generalüberholt unter dem Namen „frannz“ wieder auf, und Peter Thinius und seine Kumpels von damals werden sich den Laden an der Kulturbrauerei angucken. „Die Wiedereröffnung hat sich rumgesprochen wie ein Lauffeuer“, sagt er. „Der Erwartungsdruck ist enorm.“

Das weiß auch frannz-Co-Chef Björn Krüger. „Wir wollen die alten Franz-Besucher genauso ansprechen wie die Leute, die in den letzten Jahren in diese Gegend gezogen sind“, sagt Krüger. Der 42-Jährige ist einer von fünf Betreibern, die die Legende zu neuem Leben erwecken wollen. „Wir greifen Ideen von früher auf“, aber einen „Nostalgieladen“ wolle man nicht haben. Auf diesen Balanceakt soll auch das zweite „n“ im Namen hinweisen: „Das steht für Neu.“ An den alten FDJ-Jugendclub, der in der DDR eine alternative Nische war und der bis 1997 vor allem Blues-, Jazz- und Rockfans eine Heimat bot, erinnert vor allem das Mischkonzept aus Bar, Restaurant, Kneipe, Live-Club. „Unser Motto ist das gleiche wie früher: 365 Konzerte im Jahr“, sagt Krüger. Nach jeder Live-Show gehört die Bühne den DJs. Für Pausen zwischendurch gibt es den hellen Speisesaal neben der Disco und eine Lounge. Im Sommer kommt noch ein Biergarten dazu.

Aller Traditionspflege zum Trotz: Die in schlichter, rot-schwarzer Eleganz gestalteten Räume erinnern nur entfernt an das historische Vorbild. Wo früher der Plattenladen von Peter Thinius stand, befinden sich heute lederne Lounge-Sitzecken. Der alte Billardraum ist Toiletten gewichen. Nur das kulturelle Herzstück, der Konzert- und Tanzsaal, erinnert an die alten Zeiten, wenngleich Bühne und Bar nicht an derselben Stelle stehen.

Dass innenarchitektonisch nichts ist wie früher, liegt in erster Linie daran, dass nach dem Aus für den alten Franz-Club die bayerische Gasthauskette Leopold’s den Laden für ein Wirtshaus umgebaut hat. Als die Bayern sich kürzlich mangels Erfolg zurückzogen, kamen die Betreiber der Alten Kantine der Kulturbrauerei auf die Idee, den Franz wiederzubeleben. Dafür taten sie sich mit dem Veranstalter Björn Krüger zusammen, der sich als Erfinder der Club-Idee „Die schöne Party“ einen Namen in der Szene gemacht hatte.

Für den frannz hat Björn Krüger ein ambitioniertes Konzept erarbeitet. Jeder Wochentag ist grob einem Musikstil zugeordnet, donnerstags gibt es Live-Jam-Sessions mit Beat-Musik der 60er und 70er – eine Reminiszenz an die Sessions im alten Franz-Club, sagt Krüger. Um 21 Uhr gibt heute die Soulsängerin Jocelyne B. Smith das Eröffnungskonzert (Eintritt: 17 Euro), morgen spielen die Pop-Band Bobo in white wooden houses und Mohnblau (ab 21 Uhr; Eintritt 15 Euro). Wer erst zu den Partys ab 23 Uhr gehen will, zahlt nur noch 6,50 Euro Eintritt. Zur Musikmesse Popkomm Ende des Monats stehen norwegische, finnische und französische Talente auf der Bühne. Als Zugabe finden sonntags Lesungen oder Diskussionen statt. Den Auftakt macht Ex-Universal-Boss Tim Renner, der sein Buch „Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm“ vorstellt; der Eintritt kostet zehn Euro.

„Wir wollen ein Publikum erreichen, das Wert auf Qualität legt“, sagt Krüger. Das Wunschalter der Gäste liegt zwischen 20 und 40. Da liegt Franz-Veteran Thinius drüber. Dem neuen Club will er dennoch eine Chance geben – und die Betreiber ihm: Am 8. Oktober legt Thinius im frannz nochmal seine Platten auf.

Informationen: Telefon 726 279-333; im Internet: www.frannz.de

In den Gebäuden an der Schönhauser Allee braute früher Schultheiss Bier. Seit 1970 befand sich in dem Eckhaus mit dem markanten Turm der von der DDR-Jugendorganisation FDJ betriebene Franz-Club. 1997 musste er wegen Sanierung schließen.

Zum Abschiedsabend mit der Rockband Knorkator kamen damals Tausend. Nach der Sanierung eröffnete eine bayerische Kette ein Wirtshaus – ohne Erfolg. Heute Abend macht der Club als frannz wieder auf.

Neben dem Club mit Restaurant, Bühne, Tanzfläche und Lounge gibt es auf dem weitläufigen Gelände der Kulturbrauerei eine Hand voll anderer Veranstaltungsorte, die das Ensemble zu einem der kulturellen Zentren Berlins gemacht haben: Die Alte Kantine, das Kesselhaus, das Palais und den Soda Club. Außerdem gibt es ein Kino, ein Theater, im Sommer einen Biergarten und mehrere Geschäfte. lvt

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