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Gesundheit: Berliner Medizin in der Sackgasse

TURNERS THESEN zu Bildung und Politik Das Berliner Abgeordnetenhaus hat das Vorschaltgesetz über die Umstrukturierung der Hochschulmedizin verabschiedet. Damit droht der Universitätsmedizin ein dauerhafter Schaden.

TURNERS THESEN

zu Bildung und Politik

Das Berliner Abgeordnetenhaus hat das Vorschaltgesetz über die Umstrukturierung der Hochschulmedizin verabschiedet. Damit droht der Universitätsmedizin ein dauerhafter Schaden. Als Ziel des Gesetzes wird erklärt, die medizinischen Fakultäten neu zu ordnen. Dieses steht im Widerspruch zu vorangegangenen politischen Entscheidungen: Der Koalitionsvertrag sah Einsparungen von 98 Millionen Euro zu Lasten der Medizin vor. Der Auftrag an eine Expertenkommission ging dahin, entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Dies hat sie unstreitig nicht erbracht.

Auch der Wissenschaftsrat hat mit seinen Empfehlungen nicht aus der Sackgasse geführt. Dies wird dadurch belegt, dass nunmehr – erneut – ein Gutachten über die Einsparmöglichkeiten erstellt werden soll. Warum dann ein Gesetz, das sich als Fehlkonstruktion erweist? Schon der Name „Charité – Universitätsmedizin Berlin“ wirkt reichlich kompliziert und verschroben. Die Aufzählung der sechs Organe (Medizinsenat, Fakultätsrat, Aufsichtsrat, Vorstand, Fakultätsleitung, Klinikumsleitung) macht deutlich, welches Neben- und Durcheinander bestehen wird. Die Verzahnung mit den beiden Universitäten wird sich als besonders lähmend erweisen, weil die Präsidenten in kritischen Fragen die Rückkoppelung zu den Gremien der Universitäten beanspruchen werden.

Eine saubere Lösung wäre, die Medizin völlig aus den Universitäten heraus zu lösen, wie es der Medizinausschuss des Wissenschaftsrats vorgeschlagen hatte. Eine Verbindung mit Freier und Humboldt-Universität könnte dann über den Aufsichtsrat erfolgen. Die nunmehr gewählte Konstruktion einer Gliedkörperschaft, errichtet von FU und HU mit ihren jeweiligen medizinischen nicht rechtsfähigen Teilsondervermögen und ihrer medizinischen Fakultät beziehungsweise ihrem Fachbereich verschafft Juristen zukünftig reichlich Betätigung über Befugnisse und Abgrenzungen.

Jetzt sieht das Gesetz zwar vor, dass die Präsidenten Mitglieder im Aufsichtsrat sind, zugleich leiten sie aber im Wechsel den Medizinsenat, wobei sie dort nur beratende Stimme haben. Zu den Aufgaben des Aufsichtsrats gehört die Überwachung des Vorstands. Damit leistet sich das Gesetz gleich einen Doppelfehler: Vorsitzende ohne Stimmrecht sind zahnlose Tiger; Mitglieder eines Kontrollgremiums sollten nicht zugleich dem Organ angehören, das sie zu überwachen haben. Die unterschiedliche Verantwortung für jeweils einen Teilwirtschaftsplan (Lehre und Forschung einerseits und Krankenversorgung andererseits) ist in der Sache falsch, weil dies nur zu einer Aufblähung der Verwaltung führt.

Ein besonderer Gag sind die Freistellungen – für Personalräte sowieso und für Frauenbeauftragte bis zu 6,5 Stellen. Wer da noch im gleichen Atemzug von Sparen redet, will entweder die Öffentlichkeit täuschen oder ist ahnungslos. Da hilft es auch nicht, wenn eine durch den Wahlausgang in Hamburg verfügbar gewordene frühere Finanzsenatorin vorläufig den Vorsitz im Vorstand übernimmt. Zumal sie Mitglied jener Kommission war, die ihren Auftrag nicht erledigt hat. Der Medizin droht eine unendliche Debatte mit Auseinandersetzungen und dem Verlust der Attraktivität, die sie noch auszeichnet. Warum nicht ein Sturm der Entrüstung von den Medizinern ausgeht? Offensichtlich ist man müde und mürbe gemacht.

Berlins Wissenschaftssenator a.d.

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