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Gesundheit: Bundeshilfe für die Lehre

Kompromiss im Föderalismusstreit um Bildung: Die Wissenschaftsorganisationen sind erleichtert

Zwei Jahre lang haben sich Wissenschaftsorganisationen und Hochschulen dagegen gewehrt, dass die neue Verfassung dem Bund in Zukunft fast jedes Engagement für die Hochschulen verbietet. Nun haben sie einen Teilsieg errungen. Zwar fällt die Finanzierung des Hochschulbaus gegen den Willen der scientific community fortan allein in die Hände der Länder – für die Hochschulen aus Sicht vieler Experten ein herber Schlag. Doch immerhin wird es dem Bund in Zukunft möglich sein, Hochschulsonderprogramme für die Lehre aufzulegen – und zwar direkt. Die alte Verfassung zwang den Bund zu einem Umweg. Er entlastete die Länder mit Hochschulsonderprogrammen in der Forschung, damit diese mehr Mittel für die Lehre und für neue Studienplätze einsetzen können. Die neue Verfassung soll dem Bund nun erlauben, unmittelbar die Lehre zu finanzieren.

Das wird möglich, weil in dem neuen Artikel 91 b, in dem das Zusammenwirken von Bund und Ländern in der Forschung geregelt ist, nun auch das Wort „Wissenschaft“ aufgenommen ist: Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen „bei Vorhaben der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen“ zusammenwirken – wenn das Zusammenwirken auf Fälle von überregionaler Bedeutung begrenzt ist und alle Länder zustimmen, heißt es dort nun.

Diese Lösung hatte sich auch Bundesforschungsministerin Schavan gewünscht, um ihren „Hochschulpakt 2020“ auf sichere Füße zu stellen. Ziel des geplanten Bund-Länder-Hochschulpakts ist es, die neue Studentenwelle zu bewältigen, also zusätzliche Studienplätze zu schaffen. Für die Umsetzung des Hochschulpakts sei eine Änderung des Artikels 91 b die „stringentere“ Lösung unter anderen Vorschlägen, sagte Schavan bei der Sitzung der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung am Montag in Berlin. Allerdings wolle sie nicht den noch ausstehenden Beratungen von Bund und Ländern vorgreifen.

Der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Peter Strohschneider, nannte den Kompromiss „einen großen Fortschritt“. „Das ist das, was angesichts der auf die Hochschulen zukommenden Studentenwelle sachlich erforderlich ist.“ Wichtig sei der neu eingeführte Begriff „Wissenschaft“: Da Wissenschaft im deutschen Sprachgebrauch immer die Einheit von Forschung und Lehre bedeute, müssten nun auch direkte Bundeshilfen für die Lehre möglich werden. Auch gegenüber dem alten Grundgesetz sei die Einigung ein Fortschritt: Dank der Kompromissfähigkeit der Ministerpräsidenten Stoiber und Beck stünden Gemeinschaftsfinanzierungen auch der Lehre künftig auf solider verfassungsrechtlicher Basis.

Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, sagte: „Ich bin froh, dass die Politiker mutig genug waren, das Thema Hochschulen bei der Föderalismusreform noch einmal anzupacken. Es ist völlig klar, dass die Länder die kommenden finanziellen Belastungen im Hochschulbereich nicht alleine tragen können.“ Bundeshilfen auch für die Lehre zu ermöglichen, sei „eine sehr positive Lösung, für die man nur dankbar sein kann“, sagte Ernst Ludwig Winnacker, Präsident der DFG.

Der Verfassungsrechtler Hans Meyer (Humboldt-Universität) warnt allerdings vor Euphorie. Die Formulierung, wonach „Vorhaben der Wissenschaft“ gefördert werden könnten, sei knifflig: Wer auf dieser Grundlage auch Programme zum Ausbau der Lehrkapazitäten begründen wolle, müsse den Begriff „Vorhaben“, der gemeinhin für „Projekte“ stehe, sehr weit interpretieren, sagte Meyer. Sein Kollege Ferdinand Kirchhof (Uni Tübingen) hingegen hält eine Regelung der Bundeshilfen in Artikel 91 b für zu weit gehend, weil sie die dauerhafte finanzielle Unterstützung der Unis durch den Bund ermögliche. Es bestehe die Gefahr, dass der Bund mit seinem Geld Bildungspolitik machen könne, wie bei den Ganztagsschulen.

Wie gefährdet der Kompromiss war, zeigt das Gerangel zwischen dem Bund und den Ländern in den letzten Tagen. Nach einer Koalitionsrunde am Sonntag vor einer Woche hatte es zwar bereits so ausgesehen, als hätten sich Bund und Länder über einen Artikel 91b verständigt, der auch Bundeshilfen für die Lehre ermöglicht. Doch wenige Tage später, am Donnerstag vergangener Woche, hatten die Ministerpräsidenten einen Beschlussvorschlag vorgelegt, wonach lediglich eine Präzisierung des neuen Artikels 104 b geplant war, der Investitionen des Bundes regelt. Damit wäre nur klargestellt worden, dass der Bund den Unis unter bestimmten Bedingungen „bedeutsame Investitionen“ gewähren kann, also Mittel für Baumaßnahmen oder Geräte, nicht aber für Studienplätze, wie Hochschulvertreter kritisierten. „Mit der vorgeschlagenen Änderung von Artikel 104 b wäre überhaupt nichts gewonnen“, sagte Bernhard Kempen (Hochschulverband).

Auch in der SPD im Bundestag, die heftig dafür gekämpft hatte, dass der Bund nicht völlig aus dem Hochschulwesen verdrängt wird, findet der Kompromiss Zustimmung. Jörg Tauss, der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, nannte die Einigung einen „Schritt in die richtige Richtung“. Thomas Oppermann, der Sprecher der SPD in der Föderalismusreform, sagte, es sei jetzt eine „eindeutige verfassungsgemäße Absicherung von Hochschulsonderprogrammen“ zur Bewältigung des Studentenbergs erreicht worden. Amory Burchard, Anja Kühne,

Uwe Schlicht, Tilmann Warnecke

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